Am Ende entscheiden bei der CDU die Gremien über einen Koalitionsvertrag, bei der SPD dagegen alle Mitglieder. Ein CDU-Kreisverband fordert nun diesen Weg auch für die eigene Partei. Es ist nicht die einzige Kritik an den Verhandlungen von Friedrich Merz.
In der CDU gibt es Forderungen, die Parteimitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag für eine schwarz-rote Bundesregierung entscheiden zu lassen. Der Kreisvorsitzende der CDU Potsdam-Mittelmark, Christian Große, schrieb in einem Brief an Bundeschef Friedrich Merz: "Eine solch' weitreichende Entscheidung darf in dieser Situation nicht ohne die direkte Einbeziehung der Parteibasis getroffen werden." Der Kreisverband veröffentlichte den Brief auch auf Facebook.
Die Entscheidungen der Bundespartei und der Bundestagsfraktion zum Schuldenpaket und der Schuldenbremse hätten zu deutlicher Verärgerung geführt und Mitglieder verunsichert. "Zahlreiche unserer Mitglieder fühlen sich nicht mehr ausreichend repräsentiert und denken ganz offen über einen Parteiaustritt nach", schrieb Große. Mitglieder fragten sich, ob der vor der Bundestagswahl angekündigte grundlegende Politikwechsel eingelöst oder eine "linke Politik" mit Unterstützung der CDU fortgesetzt werde.
Deshalb habe sein Kreisverband einstimmig beschlossen, eine Mitgliederbefragung über den möglichen Koalitionsvertrag mit der SPD zu fordern. "Für den Fall, dass dieser Mitgliederentscheid nicht umgesetzt wird, droht unserer Partei ein weiterer massiver Vertrauensverlust innerhalb der Mitgliedschaft - mit unabsehbaren Konsequenzen", heißt es in dem Brief weiter. "Wir befürchten zahlreiche Parteiaustritte, die wir bis jetzt nur mit größten Anstrengungen verhindern konnten."
Scharfe Kritik von Ex-Ministerpräsident Müller
CDU-Chef Merz, der wahrscheinlich der künftige Bundeskanzler ist, hatte vor der Wahl eine hohe Neuverschuldung abgelehnt. Nach der Wahl vereinbarte er aber mit SPD und Grünen ein Schuldenpaket in Rekordhöhe. Dieses wurde zunächst vom Bundestag und dann auch vom Bundesrat beschlossen. Derzeit laufen noch Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.
Doch an der Parteibasis gibt es teils scharfe Kritik. Der CDU-Stadtverband Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern trat etwa fast geschlossen mit sofortiger Wirkung aus der Partei aus. "Unsere Entscheidung basiert auf einer Reihe tiefgreifender politischer Entwicklungen, die wir nicht mehr mittragen können", schreiben die bisherigen Christdemokraten. Großen Unmut soll es auch beim Parteinachwuchs geben. In der Jungen Union "brodelt es richtig", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Dort wird befürchtet, viele Entscheidungen gingen zu Lasten der jungen Generation.
Der frühere Saar-Ministerpräsident und Ex-CDU-Landeschef Peter Müller rechnete in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" mit Union, SPD und Grünen ab. Zwar sei die politische Mitte bei der Wahl abgestraft worden. "Dennoch ist ein dem Wählervotum Rechnung tragender Politikwechsel weiter entfernt denn je. Es läuft gut seit der Wahl - für die AfD." Er warnt: "Wem es an der gebotenen Demut gegenüber dem Volk fehlt, der darf sich nicht wundern, wenn er bei nächster Gelegenheit von diesem gedemütigt wird."
AfD profitiert in Umfragen
Für Unverständnis in den eigenen Reihen sorgte zudem die Absage von Sitzungen der CDU-Spitzengremien an diesem Montag. In der Partei heißt es, Merz habe sich zu dem Schritt unter anderem deswegen entschlossen, weil er wegen der mit der SPD vereinbarten Vertraulichkeit keinen Zwischenstand über die bislang ausgehandelten Details geben könne.
Zudem werden die Koalitionsgespräche, die nun in die Schlussrunde gehen, von den steigenden AfD-Umfragewerte überschattet. Im RTL/ntv-Trendbarometer von vergangenem Dienstag kam die AfD bis auf einen Prozentpunkt an die Union heran. In einer Umfrage für die "Bild"-Zeitung sind AfD, CDU und CSU mittlerweile gleichauf.
Führende Unionspolitiker versuchen bereits, Befürchtungen zu dämpfen, CDU-Chef Merz könne den im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel in Kernbereichen wie der Migrations-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik nicht gegen die SPD durchsetzen. CSU-Chef Markus Söder schrieb auf X: "Nach einer intensiven Woche in Berlin mit vielen langen Tagen heute eine kurze Verhandlungspause. Nutze die Zeit zum Nachdenken, bevor es ab morgen in die Schlussrunde geht."
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke