Die EU tappt über die Gründe für Trumps Zollpolitik im Dunkeln. Nun setzt Brüssel auf Meloni. Auf ihrer Reise nach Brüssel soll Italiens Regierungschefin herausfinden, was der US-Präsident erreichen will. Und Meloni hat ein Ass im Ärmel.

Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni und US-Präsident Donald Trump verstehen sich blendend. Das ist ein entscheidender Vorteil, wenn Meloni am Donnerstag nach Washington reist, um die Wogen zwischen den Europäern und den USA zu glätten. Etwas Ähnliches dachte sich offenbar auch Ursula von der Leyen. Die EU-Kommissionspräsidentin soll im Vorfeld der Reise mehrmals mit Meloni telefoniert haben. Für Brüssel soll die italienische Regierungschefin den Verhandlungsspielraum im Zollstreit mit dem Weißen Haus ausloten.

Einige gemeinsame Erinnerungen verbinden Meloni und Trump. Sie hatte Trumps Golf-Club in Mar-a-Lago bereits vor dessen Einzug ins Weiße Haus einen Besuch abgestattet. Anschließend durfte Meloni an Trumps Amtseinführung teilnehmen - als einzige europäische Regierungschefin. Einige Wochen später sprach sie auf der CPAC-Konferenz, einem Treffen amerikanischer Rechtspopulisten. Trumps Anhänger jubelten ihr zu, als sie dort gegen das "Virus der Cancel Culture und der Woke-Ideologie" wetterte.

Dass Trump bislang Lobeshymnen über Meloni singt, ist also kein Wunder. Meloni sei eine "fantastische Person", sagte er. An anderer Stelle nannte Trump sie "ein echtes Energiebündel" - und jemanden, mit dem er zusammenarbeiten könne, "um die Welt ein wenig in Ordnung zu bringen". Wenn die beiden sich schmeicheln, steckt anscheinend keine Heuchelei dahinter, sondern Überzeugung.

Kein Erfolg für EU-Handelskommissar in Washington

Zwar hat Trump im Handelskrieg mit den Europäern einen 90-tägigen Waffenstillstand ausgerufen, dabei allerdings nur einige Zölle vorerst zurückgenommen. Der Basis-Zoll von 10 Prozent auf alle Waren aus der EU bleibt, zusätzliche Einfuhrbeschränkungen für Aluminium, Stahl und Autos ebenfalls. Jetzt will Trump auch noch prüfen, ob er Zölle auf Halbleiter, Pharmaerzeugnisse und Seltene Erden erhebt. Angesichts dieser Drohkulisse betonte die EU, ihre Vergeltungszölle gegen die USA blieben nur in der Zeit ausgesetzt, in der sich Trump verhandlungsbereit zeige.

Die Aussichten auf eine Lösung dürften nicht schlecht sein: Rezessionsängste und wirtschaftliche Turbulenzen in den USA, ausgelöst durch seine chaotische Zollpolitik, haben den US-Präsidenten in die Ecke gedrängt. Dabei ließ Trump es jedoch an konkreten Angeboten gegenüber seinen Handelspartnern vermissen. Auch in Brüssel weiß bislang niemand, was Trump eigentlich erreichen will.

Am Montag scheiterte der Versuch des EU-Handelskommissars Maroš Šefcovic, in Washington mit US-Handelsminister Howard Lutnick eine Übereinkunft zu erzielen. Šefcovic habe das Treffen nach zwei Stunden mit einem Gefühl der Ohnmacht verlassen - und Mühe gehabt, die Ziele der amerikanischen Seite zu definieren, wie Bloomberg berichtete.

Zuvor hatte eine Delegation des EU-Parlaments ihr Glück versucht. Doch auch die Gesprächspartner der EU-Abgeordneten, darunter republikanische Senatoren und hochrangige US-Beamte, sind bislang über Trumps Ziele in der Handelspolitik im Unklaren gelassen worden. Außer Trump und einige seiner engsten Berater - wie der Direktor für Handel und Industriepolitik, Peter Navarro - sei niemand eingeweiht, sagten die EU-Vertreter ntv.de.

Trump nimmt China ins Visier

Einen Plan hat Trump laut Medienberichten inzwischen. Er werde von seinen Handelspartnern einen schärferen Kurs gegenüber China zur Bedingung für Verhandlungen machen, berichtet unter anderem das "Wall Street Journal". Die US-Regierung beabsichtigt demnach, die Länder dazu bewegen, China den Transport von Waren durch ihr Territorium zu verbieten. Washington wolle zudem chinesischen Unternehmen die Niederlassung in diesen Ländern verbieten, um US-Zölle zu umgehen und den Markteintritt billiger chinesischer Industriegüter zu verhindern.

Meloni bietet sich hierbei als ideale Gesprächspartnerin für Trump an. In der EU warb sie nicht nur dafür, die transatlantischen Beziehungen trotz aller Zerwürfnisse aufrechtzuerhalten. Sie stellte sich auch gegen den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, der sich angesichts des Handelskonflikts mit den USA bei einem Besuch in Peking für ein Zusammenrücken der EU und Chinas ausgesprochen hatte.

Frankreich warnte zunächst vor einem Alleingang Melonis; aus der Vermutung heraus, die italienische Regierungschefin dürfte nur auf den eigenen Vorteil bedacht sein. Doch auch in Paris weicht die Angst anscheinend allmählich der Hoffnung, Meloni könne zu Trump durchdringen. Dass der US-Präsident sagte, er wolle in der Zollpolitik am Ende auch mit der EU als Block verhandeln, dürfte zur Beruhigung beigetragen haben. Zuvor bestand die Sorge, der Anti-EU-Pöbler Trump könne ernsthaft versuchen, die Europäische Union zu spalten und nur mit den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten sprechen.

JD Vance besucht Meloni in Rom

Obwohl das schlimmste Szenario vorerst vom Tisch ist, kennen die Europäer noch immer nicht Trumps Motive. Geht es Trump tatsächlich um einen härteren Kurs der EU gegenüber Peking? Wenn der US-Präsident jemandem aus Europa vertraut, dann wahrscheinlich nur einer Regierungschefin, die das rechtspopulistische Gedankengut mit ihm teilt. Ein weiterer Beweis für das gute Verhältnis der beiden ist der Besuch von Trumps US-Vizepräsident JD Vance in Rom - nur einen Tag nach Melonis Rückkehr aus Washington. Auch mit Trumps Berater für Regierungseffizienz, dem Tesla-Chef Elon Musk, pflegt Meloni ein enges Verhältnis. Meloni traf sich mehrmals mit Musk und bezeichnete ihn als "brillanten Mann".

Für Meloni wird das Gespräch mit Trump trotz aller Schmeicheleien ein Drahtseilakt. Wirtschaftlich und politisch ist Italien sowohl auf die EU als auch auf die USA angewiesen. Rom ist stark abhängig von Washington, wenn es um Verteidigung und Handel geht. Beides kann Meloni im Oval Office auf die Füße fallen. Schließlich hasst Trump nach eigener Aussage nichts mehr als "europäische Schnorrer", die ein Handelsbilanzdefizit mit den USA aufweisen und seiner Ansicht nach zu wenig Geld in die Nato-Kasse einzahlen.

Italien investiert nicht einmal 1,5 Prozent seiner Wirtschaftskraft in Verteidigung. Damit bleibt es weit von Trumps Forderungen entfernt, der jetzt 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts von den Nato-Partnern verlangt. Und mit fast 40 Milliarden Euro ist Italiens Handelsüberschuss mit den USA beim Warenverkehr der drittgrößte unter den EU-Ländern - nach Deutschland und Irland.

Von der Leyen wird wohl als Erste erfahren, wie weit Meloni in Washington gekommen sein wird. Die Kommissionspräsidentin wird laut Medienberichten mit der italienischen Regierungschefin nach deren Rückkehr erneut telefonieren. Für Meloni bietet sich eine große Chance: Sie könnte in Brüssel beweisen, die einzig wahre Trump-Flüsterin unter den europäischen Regierungschefs zu sein. Oder aber sie kommt mit leeren Händen zurück.

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