Am Mittwoch ist erneut ein Charterflugzeug mit afghanischen Staatsbürgern an Bord in Deutschland gelandet. Konkret: auf dem Flughafen Leipzig/Halle. Und auch diesmal gibt es im Nachgang Unruhe.
Der Grund: das undurchsichtige Handeln deutscher Behörden. Wie WELT aus Regierungskreisen erfuhr, sorgten Beamte der Bundespolizei in Islamabad dafür, dass 20 Afghanen kurz vor dem Boarding des Flugzeugs die Reiseerlaubnis in die Bundesrepublik entzogen wurde. Der Grund: Sicherheitsbedenken.
Nach der Ankunft der verbliebenen 138 Personen in Leipzig äußerten Bundespolizisten dann bei mehreren Afghanen zudem Bedenken ob der Authentizität ihrer Einreisedokumente – und leiteten Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung ein. Das bestätigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Dazu könne es kommen, obwohl Beamte der Bundespolizei die Menschen noch im Ausreiseland – in diesem Fall Pakistan – grundsätzlich überprüften, hieß es. Die sogenannten Dokumenten- und Visaberater vermerkten etwaige Auffälligkeiten in der Akte für das Visumverfahren.
Bemerkenswert ist nicht zuletzt der Zeitpunkt des Einschreitens der Bundespolizei: Jene Afghanen, die im Besitz einer Aufnahmezusage für Deutschland sind und aus ihrer Heimat in die pakistanische Hauptstadt reisen, werden dort von deutschen Beamten eingehend überprüft – etwa im Rahmen von Sicherheitsinterviews, die Geheimdienstbeamte durchführen. Die Bundespolizei ist für den Check aller Dokumente verantwortlich.
Nach eben jener Prüfung, die oftmals mehrere Monate dauert, wird – eigentlich final – entschieden, wer tatsächlich in die Bundesrepublik einreisen darf. Dass Bundespolizisten kurz vor dem Abflug Personen die Abreise verwehren, sorgt bei mit den Prozessen befassten Personen in Islamabad für Kopfschütteln. Von „PR-Manövern“ ist die Rede. Von den erst bei dem Flug am 26. März wegen „Sicherheitsbedenken“ kurzfristig abgelehnten 13 Familien sind heute, nicht mal drei Wochen später, bereits fünf in Deutschland; sie kamen mit anderen Charterfliegern.
Fakt ist: Durch das kurzfristige Handeln entstehen Extra-Kosten. Pro Sitzplatz im Flugzeug wird mit Kosten in Höhe von 1000 Euro kalkuliert.
Unter den 138 Eingereisten auf dem jüngsten Flug waren 45 Kinder und Jugendliche. 76 Personen seien weiblich, 62 männlich. Nach Angaben des Auswärtigen Amts handelt es sich bei den Passagieren um Menschen aus verschiedenen Programmen, die eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage erhalten haben. Darunter sind fünf Ortskräfte mit 19 Angehörigen.
Das Flugzeug der tschechischen Airline „Smart Wings“ war am Mittwoch in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gestartet und erreichte Leipzig um 21:37 Uhr mit Zwischenlandungen in Ras Al Khaimah in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Larnaca auf Zypern. Sonst bringt es Urlauber unter anderem aus Prag nach Hurghada.
Nach Auskunft des niedersächsischen Innenministeriums sollen die Passagiere zunächst in das Grenzdurchgangslager Friedland gebracht und von dort nach zwei Wochen an die Länder verteilt werden.
Schwarz-Rot will Aufnahmeprogramme stoppen
Deutschland nimmt seit August 2021 über mehrere Programme Afghanen auf. Bis kurz vor der erneuten Machtergreifung der islamistischen Taliban war die Bundesrepublik mit Soldaten im Rahmen einer Nato-Mission im Land präsent. Neben früheren Ortskräften der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollen auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die Taliban fürchten müssen. Das kann der Fall sein, weil sie sich in der Vergangenheit als Anwälte oder Journalistinnen für Menschenrechte eingesetzt haben.
Das Auswärtige Amt und das SPD-geführte Bundesinnenministerium hatten in den vergangenen Wochen wiederholt Flüge für Afghanen organisiert, die unter der Ampel-Regierung eine Aufnahmezusage erhalten hatten. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD grundsätzlich gegen eine Fortführung und auf den Stopp von Aufnahmeprogrammen von Flüchtlingen aus Afghanistan geeinigt. Rund 2600 Menschen aus Afghanistan warten nach Angaben des Auswärtigen Amts derzeit in Pakistan auf ihre Aufnahme in Deutschland. „Es liegen in diesen Fällen konkrete, bereits in der Vergangenheit gegebene Aufnahmezusagen Deutschlands vor“, hatte ein Sprecher des Innenministeriums betont. Neue Zusagen würden nicht erteilt.
Anders als von einigen Medien berichtet, sind nach WELT-Informationen aktuell keine weiteren Flüge terminiert.
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