Nach tagelangen Kämpfen und Berichten über Massaker an hunderten Zivilisten in der Küstenregion im Westen Syriens hat die Übergangsregierung den dortigen Militäreinsatz am Montag für beendet erklärt. Der Einsatz sei „erfolgreich“ verlaufen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana. Das Auswärtige Amt in Berlin bezeichnete die Berichte über die Tötung von annähernd tausend Zivilisten in den vergangenen Tagen als „zutiefst schockierend“.

In den an der Mittelmeerküste gelegenen Provinzen Syriens hatten am Donnerstag Gefechte zwischen Kämpfern der neuen islamistischen Führung in Damaskus und Anhängern des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad begonnen. Am Freitag startete die neue Führung einen Großeinsatz gegen „die Überreste von Assads Milizen und deren Unterstützer“.

Der Sprecher des syrischen Verteidigungsministeriums erklärte am Montag weiter, es sei den Einsatzkräften „gelungen (...), die Angriffe der Überreste des gestürzten Regimes und seiner Offiziere abzuwehren“ und diese aus „entscheidenden“ Orten zu vertreiben. Die Kräfte hätten „alle Sicherheitszellen und Regimeüberbleibsel“ in Städten wie Latakia und in der Provinz Tartus „neutralisiert“. Damit seien alle Ziele des „Militäreinsatzs“ erreicht, dieser werde daher eingestellt.

Weiter erklärte der Sprecher, die „Sicherheitsapparate“ würden weiter daran arbeiten, die „Stabilität zu gewährleisten“ und „die Sicherheit der Bewohner sicherzustellen“. Pläne für einen etwaigen „weiteren Kampf“ gegen die „Überbleibsel des gestürzten Regimes“ und zur „Eliminierung jeglicher künftiger Gefahren“ lägen vor.

Aktivisten sprechen von Hinrichtungen und „ethnischen Säuberungsaktionen“

Bei den Kämpfen wurden nach Angaben der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 1450 Menschen getötet, darunter 973 Zivilisten. Diese seien von Sicherheitskräften der Übergangsregierung und verbündeten Gruppen getötet worden, erklärte die Organisation. Sie sprach von „Hinrichtungen“ und „ethnischen Säuberungsaktionen“ in dem vor allem von der alawitischen Minderheit bewohnten Gebiet Syriens, der auch Ex-Machthaber Assad angehört.

Auch Kinder seien Opfer der Massaker geworden. Die Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten vor Ort. Ihre Angaben können oft nicht unabhängig überprüft werden.

Die Berichte lösten international Empörung aus. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, die Berichte seien „zutiefst schockierend“. Es obliege nun der Übergangsregierung in Damaskus, „weitere Übergriffe zu verhindern, die Vorfälle aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“. „Wir verurteilen den Ausbruch der Gewalt in den Regionen Tartus, Latakia, Homs auf das Schärfste“, sagte sie. Die drei Monate nach dem Sturz Assads wieder entflammte Gewalt in Syrien sei ein „Teufelskreis, der das gesamte Land weiter destabilisieren könnte“, sagte die Außenamtssprecherin weiter. Nun seien „vor allem politische Verhandlungen für die Integration und Kooperation aller gesellschaftlichen und religiösen Gruppen“ nötig, „egal welcher Ethnie, Herkunft oder Geschlecht“. Dies gelte „natürlich auch explizit für die zukünftige Rolle der Alawiten“. Andernfalls sei „ein erneutes Abgleiten in ein bürgerkriegsartiges Szenario“ zu befürchten.

Brüssel und Peking äußern sich besorgt

In Brüssel zeigte sich die EU-Kommission „alarmiert“. Die Verantwortlichen für Gewalt gegen Zivilisten müssten zur Rechenschaft gezogen werden, forderte eine EU-Kommissionssprecherin. Die EU unterstütze die von den syrischen Behörden angekündigte Untersuchung der Vorfälle.

Auch das chinesische Außenministerium zeigte sich angesichts der mutmaßlichen Massaker besorgt. Die Gewalt müsse „sofort“ beendet werden, sagte Ministeriumssprecherin Mao Ning. Sie forderte „einen nationalen Wiederaufbauplan“ und „Dialog“, „der dem Willen des syrischen Volkes entspricht“.

Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hatte am Sonntag nach der tödlichen Gewalt eine Bestrafung aller Verantwortlichen angekündigt. Er gab zudem die Einsetzung eines Komitees bekannt, welches für „zivilen Frieden“ im Land sorgen solle.

Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz al-Scharaas hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft Assads beendet, der nach Russland floh. Seit ihrer Machtübernahme hat die neue syrische Führung wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Die HTS ist aus der Al-Nusra-Front hervorgegangen, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.

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