Moldau steht weiter unter Druck. Russland führt einen hybriden Krieg gegen die nach Westen strebende Demokratie. Zusätzlich wird das Land von der Entwicklung in der Ukraine bedroht. Dazu kommt die politische Wende in den USA.
Im Management von Krisen sind die moldauische Präsidentin Maia Sandu und ihre proeuropäische Regierung geübt. Seit dem umfassenden russischen Angriff auf die Ukraine ist es vor allem Russland, das die Republik mittels einer konstanten hybriden Kriegsführung angreift und auf einen politischen Wechsel hin zu prorussischen Kräften in Chișinău zielt.
Die Liste der Beispiele ist lang: von der Drosselung und später kompletten Abschaltung der russischen Gaslieferungen über eine Flut an Desinformation und Fake News, die Beeinflussung der Wahlen durch Stimmenkauf und illegale Parteienfinanzierung bis zum Protegieren korrupt-krimineller Strukturen in dem 2,5-Millionen-Einwohner-Land. Bisher hielt das proeuropäische Moldau diesen vielfältigen Angriffen stand. Präsidentin Sandu wurde im Herbst 2024 wiedergewählt und die Bevölkerung entschied sich, wenn auch knapp, für die EU-Mitgliedschaft als Staatsziel mit Verfassungsrang. Dieses Ergebnis ist besonders erwähnenswert, denn investigative Recherchen haben einen massiven Stimmenkauf durch von Russland unterstützte Kräfte offengelegt.
Der Stresstest für die demokratische Republik Moldau geht auch in diesem Jahr weiter. Wenige Monate vor der entscheidenden Parlamentswahl im Herbst dieses Jahres stoppte Russland die Gaslieferungen an den Verbündeten Transnistrien. Moskau hofft offenkundig, die schwierige wirtschaftliche Lage in der gesamten Republik Moldau zu verschärfen und in politische Instabilität umzuwandeln.
Auch Trump löst Sorgen aus
Zudem verstärkt der US-amerikanische Politikwechsel in Osteuropa und die Einstellung der Militärhilfe an das Nachbarland Ukraine die Sorge in Chișinău, dass sich die USA als wichtiger Partner für die demokratische Entwicklung des Landes zurückziehen werden und womöglich der russischen Forderung nach mehr Einfluss auch auf diese ehemalige Sowjetrepublik nachgeben könnten. Denn die Sicherheit der souveränen Moldau ist eng mit der Sicherheit der Ukraine verbunden. Russischen Truppen an der eigenen Grenze - falls die ukrainische Verteidigung an der Schwarzmeerküste zusammenbrechen sollte - könnten die Moldauer kaum standhalten. Zudem führen die momentan pausierenden US-amerikanischen Entwicklungsgelder zu einem Stopp von Großprojekten in der Energieinfrastruktur, die die alten sowjetischen Strom- und Gasnetzwerke des Landes ersetzen sollen.
Transnistrien als Region im östlichen Landesteil Moldaus hat sich 1990 vom Gesamtstaat abgespalten. Vorausgegangen war ein Konflikt zwischen sowjettreuen Eliten in Transnistrien und den nun in Chișinău dominierenden rumänischsprachigen Akteuren über die politische Zukunft der Sowjetrepublik Moldau. Diese Entwicklungen gipfelten 1992 in einer militärischen Konfrontation, bei der russische Truppen auf der Seite Transnistriens eingriffen und seitdem dort stationiert sind. Russland hat den Pseudostaat, der auch von Moskau nie als unabhängig anerkannt wurde, in den letzten dreißig Jahren militärisch, wirtschaftlich und politisch unterstützt. Damit hat man sich ein Instrument der Einflussnahme auf die Entwicklung der gesamten Republik Moldau geschaffen und bis heute erhalten.
Energie als Waffe im hybriden Krieg Russlands
Zu Beginn dieses Jahres stoppte das russische Energieunternehmen Gazprom die eigenen bisher kostenlosen Lieferungen an die Verbündeten in Transnistrien, da der bisherige Transfer durch die Ukraine nicht mehr möglich war. Allerdings hat der russische Staatskonzern vorhandene Alternativrouten, zum Beispiel über die Türkei, nicht gewählt. Ende Januar drohte dadurch ein kompletter Zusammenbruch der Energieversorgung und damit eine humanitäre und wirtschaftliche Krise im De-Facto-Regime.
Auch der von Chișinău kontrollierte Landesteil hatte mit den Konsequenzen der ausbleibenden russischen Gaslieferungen zu kämpfen, deckte man doch bis dahin etwa 80 Prozent des eigenen Strombedarfs durch kostengünstige Lieferungen aus Transnistrien ab. Strom wurde dort mit dem importierten Gas zu Preisen weit unter dem europäischen Markt produziert. Seit Januar muss die Regierung in Chișinău nun tagtäglich den Strombedarf mit wesentlich teureren Ankäufen aus Rumänien, eigener Produktion durch erneuerbare Energien und Wärmekraftwerken sowie einer Drosselung des Verbrauchs regulieren. In dieser Doppelkrise - Strom- und Transnistrienkrise - zeigt sich erneut, dass Russland Energie als Waffe in der hybriden Kriegsführung einsetzt.
Es ist ein altbewährtes Vorgehen Moskaus, innergesellschaftliche sowie politische Spannungen und wirtschaftliche Instabilität in Moldau als ehemalige sowjetische Teilrepublik zu schaffen oder zu verstärken. Je gespaltener die Bevölkerung ist, desto einfacher ist es für Russland, Einfluss auf die inneren Entwicklungen Moldaus zu nehmen. Dabei sind neben der Energiekrise wesentliche Bausteine Desinformationskampagnen und Fake News, in denen das politische Chișinău als Verursacher für die Probleme dargestellt wird. Das übergeordnete Narrativ ist, dass Moldau nur eine Zukunft in enger - und untergeordneter - Partnerschaft mit Russland hat.
Russland sät Zweifel und Misstrauen
All diese Kampagnen zielen auf die Ängste der Menschen vor Eskalation und Krieg im eigenen Land sowie auf die tiefliegenden Zweifel und das Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber staatlichen Institutionen. Es ist nicht auszuschließen, dass Moskau mit dieser konstanten hybriden Kriegsführung Erfolg haben wird. Schließlich gibt es auch in der moldauischen Gesellschaft Gruppen, die eine souveräne und von Russland unabhängige Entwicklung des Landes skeptisch sehen und eher für einen Mittelkurs zwischen Ost und West plädieren. Sie verbinden damit die Hoffnung, in diesem Fall sowohl günstige Energielieferungen aus Russland als auch weitere europäische Unterstützung zu erhalten. Die in der Verfassung verankerte Neutralität des Landes ist für sie nicht verhandelbar. Diese Erzählungen, häufig verbreitet auf Social Media, werden durch die Positionen der mit Russland verbundenen Parteien und politischen Akteure verstärkt.
Gleichzeitig ist das gegenwärtige Krisenmanagement der moldauischen Regierung, auch dank der massiven Unterstützung durch die Europäische Union, ein Beispiel für eine Erfolg versprechende Verteidigung gegen russische Einflussnahme. Chișinău ist in den letzten Wochen nicht auf die Erpressungsversuche Russlands eingegangen, sondern hat auf eine rasche Umstellung der Strominfrastruktur auf europäische Netzwerke gesetzt. Die EU hat diesen Kurs entschieden unterstützt. Brüssel hat es der moldauischen Regierung mit einem umfassenden Finanzpaket ermöglicht, die stark angestiegenen Strompreise für einen Großteil der Unternehmen und Privathaushalte bis Jahresende zu deckeln. Zudem zielen die EU-Hilfen auf langfristige Investitionen in erneuerbare Energien und eine Fortsetzung der innerstaatlichen Reformen, die mittelfristig zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung führen könnten.
Indem die EU dem De-Facto-Regime in Transnistrien ebenfalls Unterstützung angeboten hat, geriet Moskau sogar unter Druck und nahm kurzfristig die Gaslieferungen wieder auf. Nun nimmt Gazprom sogar einen weitaus teureren Lieferweg über Europa nach Transnistrien, in Kooperation mit einer ungarischen Firma, in Kauf. Somit konnte Chișinău nicht nur die drohenden hohen Energiekosten eingrenzen, sondern muss sich zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt auf eine ungeplante und schwierige Reintegration Transnistriens vorbereiten.
Aber mittlerweile sorgt man sich in Chișinău nicht nur um die russische Einflussnahme, sondern auch um die Folgen der neuen US-amerikanischen Ukraine-Politik. Denn nur eine unabhängige und verteidigungsfähige Ukraine sichert dem Nachbarland eine souveräne und demokratische Zukunft. Kurz vor der Parlamentswahl in der Republik Moldau würde ein russischer Erfolg im Nachbarland auch Implikationen für die Wahlentscheidungen der Menschen haben. Dem russischen Druck nachzugeben, könnte dann zu einer politischen Option für mehr Moldauer werden, aus Angst selbst direkt angegriffen zu werden.
Der Stopp der vielfältigen Tätigkeiten der US-amerikanischen Entwicklungsagentur USAID wird ebenfalls negative Folgen haben. Schließlich hatte die Agentur nicht nur große Infrastrukturprojekte finanziert, sondern auch freie und unabhängige Medien. Bis vor Kurzem war das Ziel der USA, die moldauische Demokratie zu stärken und resistenter gegen die hybride russische Kriegsführung zu machen. All dies deutet darauf, dass die Republik Moldau im Krisenmodus bleiben wird und die Parlamentswahl im September erneut ein entscheidender Moment über die grundlegende politische Ausrichtung des Landes werden wird.
Die Autorin: Dr. Brigitta Triebel leitet das Auslandsbüro Republik Moldau der Konrad-Adenauer-Stiftung.
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