Für die geplanten Ausgaben in Höhe von Hunderten Milliarden Euro braucht CDU-Chef Merz die Hilfe der Grünen. Doch die ist weiter nicht in Sicht. Auch wenn er ihnen nun weitgehende Zugeständnisse macht. Im Bundestag verhöhnten die Grünen ihn beinahe.
CDU-Chef Friedrich Merz wartet weiter auf einen erfolgreichen Abschluss seiner ersten großen Bewährungsprobe als Kanzler in spe. Dafür müsste er eine Zweidrittelmehrheit des Bundestags für die geplanten Grundgesetzänderungen für neue Schulden für Verteidigung und Infrastruktur organisieren. Doch trotz einer verbalen Umarmung und ziemlich weitgehender Angebote an die Grünen erteilten deren Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann Merz eine klare Absage. Mehr noch: Ihre Antworten gerieten zur Generalabrechnung. Dröge haute ihm seine Politik der vergangenen Monate und Jahre um die Ohren, Haßelmann bekundete ihre Zweifel am Verhandlungsgeschick der Union.
So bot Merz etwa an, den Klima- und Transformationsfonds (KTF), das wichtigste Instrument von Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck, mit 50 Milliarden Euro extra auszustatten und damit am Leben zu erhalten. "Was wollen Sie denn noch?", fragte Merz. Das sei das, was die Ampel verfassungswidrig mit dem KTF versucht habe. Diesem hatte das Bundesverfassungsgericht 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die entsprechenden Darlehen zweckgebunden waren für die Pandemie-Folgen. "Das reparieren wir jetzt mit Ihnen zusammen", sagte Merz.
Außerdem stellte er in Aussicht, Verteidigungsausgaben nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für Cyberabwehr und Katastrophenschutz zu nutzen, wie es die Grünen fordern. Sogar einen entsprechenden Änderungsantrag zum eigenen Gesetzentwurf legten Union und SPD vor. Die Grünen bekamen die schwarz-roten Zugeständnisse also schwarz auf weiß.
Dröge: "Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen"
Dröge zeigte sich davon maximal unbeeindruckt. Falls Merz sich frage, warum die Verhandlungen so liefen, wie sie liefen, dann antworte sie ihm: "Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen." Nirgends werde garantiert, dass die Ausgaben aus dem Infrastruktur-Topf wirklich zusätzlich seien. "Und wer von uns die Zustimmung für Hunderte von Milliarden Euro haben will für die Investitionen in dieses Land, der muss damit rechnen, dass wir darauf schauen, dass das Geld auch wirklich in die Infrastruktur in diesem Land gesteckt wird und nicht in Steuersenkungen", sagte Dröge. Damit spielte sie auf die Pläne von Union und SPD an, die Gastro-Steuer zu senken, die Mütterrente auszuweiten und die Agrardiesel-Beihilfe wieder zu erhöhen.
Dröges Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte in Richtung Merz, die Zustimmung der Grünen zu den Grundgesetzänderungen stehe weiter infrage. Daran habe der heutige Tag nichts geändert. "Ich zweifle einfach am Verhandlungsgeschick mancher Kollegen", sagte sie. Seit Tagen führe sie gemeinsam mit Dröge Gespräche mit Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. "Aber Angebote an unzureichende Gesetzentwürfe macht man weder auf die Mailbox, noch im Plenum, wenn man will, dass sie Erfolg haben", sagte sie unter dem Applaus ihrer Fraktion. Offenbar kannte selbst die Fraktionsspitze der Grünen die angebotenen Zugeständnis von Union und SPD bis Sitzungsbeginn noch nicht.
Merz hatte Haßelmann am Samstag nach der Einigung mit der SPD auf ein Sonderungspapier auf die Mailbox gesprochen und soll angeboten haben, das Wort "Klima" noch im Sondervermögen Infrastruktur unterzubringen. So lapidar formuliert, brachte das die Grünen aber offenbar eher auf die Palme. Dröge beschwerte sich lautstark darüber, dass Klimaschutz als "Privatproblem" der Grünen dargestellt werde. Dem Eindruck hatte Merz allerdings versucht, entgegenzutreten. Er bezeichnete den Klimawandel als sehr großes Problem, das gemeinsam gelöst werden müsse.
Merz erhöht auch Druck auf Grüne
Dass er den Grünen nun öffentlich Angebote machte, muss nicht mangelndes Verhandlungsgeschick sein, wie Haßelmann ätzte. Merz erhöhte damit auch den Druck auf die Grünen. Nun ist öffentlich, wie weit die Union ihnen entgegenkommt. Sagen sie weiter Nein, laufen die Grünen Gefahr, nur noch als trotzige Blockierer dazustehen, denen es nicht um die Sache gehe. Besagte Sache ist allerdings von immenser Tragweite.
Dreifach wollen Union und SPD das Grundgesetz ändern. Sie wollen die Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse ausnehmen, zusätzlich soll es ein Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur über 500 Milliarden Euro geben und die Länder sollen die Möglichkeit bekommen, Schulden aufnehmen zu können. Das dürfen sie bisher nicht. Um das Grundgesetz zu ändern, ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Dafür brauchen Union und SPD die Grünen. Spätestens seit Montagabend verhandeln die drei Parteien. Doch bis jetzt, zum Beginn des Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag, konnten sie sich nicht einigen. Die Grünen wollen nur die Schuldenbremse für Verteidigung reformieren und kein neues Sondervermögen für Infrastruktur beschließen. Darauf besteht aber die SPD. Diese Positionen muss letztlich Merz unter einen Hut bringen.
Der CDU-Chef steht langsam, aber sicher mit dem Rücken zur Wand - mit dem Sondervermögen über 500 Milliarden Euro in die Infrastruktur hat er der SPD bereits immense Zugeständnisse gemacht und damit seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Denn im Wahlkampf hatte er stets gesagt, er setze auf Einsparungen und steigende Steuereinnahmen durch eine wachsende Wirtschaft. Auch die Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse hatte er im Wahlkampf nicht erwähnt. Grüne, FDP und AfD warfen ihm in der Plenardebatte Wortbruch nach der Bundestagswahl vor. Er selbst versuchte das zu entkräften. So habe er bei einem Wirtschaftsgipfel der "Süddeutschen Zeitung" eine Reform der Schuldenbremse für möglich erklärt, zitierte Merz sich selbst.
Banaszak: Tür weiter offen
Wie FDP-Fraktionschef Christian Dürr ihm aber vorhielt, habe er im TV-Duell mit Kanzler Olaf Scholz gesagt, eine Schuldenbremsen-Reform sei das Letzte, über das geredet werde. Vorher müsse es Einsparungen im Haushalt und Strukturreformen geben. "Das ist der eigentliche Wortbruch!", rief Dürr ihm zu. Ex-Finanzminister und Noch-FDP-Chef Christian Lindner sagte in seiner womöglich letzten Bundestagsrede: "Die Menschen haben Merz gewählt und Esken bekommen." AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem "finanzpolitischen Staatsstreich" und warf Merz ebenfalls Wortbruch vor.
Die Grünen nutzten die Gelegenheit, mit Merz abzurechnen. Der habe vor der Wahl immer wieder, so hielt es ihm Dröge vor, abgelehnt gemeinsam mit SPD und Grünen die Schuldenbremse zu reformieren. Zuletzt habe sie Merz dieses Angebot am 11. Februar gemacht, wie sie sagte. Sie habe darauf gewettet, er werde nach der Wahl dann doch eine Reform der Schuldenbremse fordern, weil er angeblich neue Erkenntnisse habe. Dass es aber so schnell gehen werde, habe sie nicht kommen sehen.
Mit neuen Erkenntnissen hatte Merz tatsächlich argumentiert und die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz und den Rauswurf von Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus angeführt. Redner von BSW, FDP, AfD und Linke ließen das nicht gelten. Dass sich die Weltlage und die Sicherheit Deutschlands geändert habe, sei spätestens mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten klar gewesen. Was sich leicht untermauern ließ, auch wenn die Vance-Rede und der Selenskyj-Rauswurf zweifellos Schockmomente waren. Recherchen des "Stern" bestätigen zudem, dass Merz lange vor der Wahl zumindest mit dem Gedanken spielte, die Schuldenbremse zu lockern. "Es hätte gereicht, den Reden Robert Habecks zuzuhören", sagte Grünen-Chef Felix Banaszak. Habeck habe immer wieder auf den immensen Investitionsbedarf in Infrastruktur und Wirtschaft hingewiesen.
Eine Abstimmung gab es in der ersten Lesung noch nicht. Die wird es voraussichtlich am kommenden Dienstag geben, wenn der Bundestag wieder zusammentritt. Bis dahin haben Union und SPD noch Zeit, die Grünen zu überzeugen. Vor Merz liegt noch ein Stück Arbeit, das wurde an diesem Mittag deutlich. Immerhin: "Unsere Tür bleibt offen", sagte Banaszak. "Aber man muss den Weg durch die Tür auch suchen."
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