Im Konrad-Adenauer-Haus feiern CDU und CSU das letzte Abendmahl der Diversität. Es gibt aber auch positive Meldungen aus dem Resultatezirkus nach der Bundestagswahl. Wenn auch nicht fürs BSW.
Was für eine fulminante Woche, oder? Die Ereignisse haben sich überschlagen. Zukunftsweisende Entscheidungen wurden getroffen, eine Reihe richtungsrelevanter Neusortierungen wird für einen neuen Kurs in zahllosen Bereichen sorgen. Das hat viele positive Seiten. Analysetexte wie dieser schreiben sich beispielsweise aktuell von selbst. Glück für die Edelfedern unter den Politik-Chronisten. Und für mich.
Aber was ist passiert? Das Potpourri entscheidender Verdikte ist diese Woche so facettenreich wie unerschöpflich: Caroline Beil ist endlich offiziell geschieden. Dschungelkönigin Lilly Becker heult vor Gericht. "Bridget Jones" feiert ihr Comeback in den Lichtspielhäusern. Die Tochter von Charlie Sheen ist dank des Polit-Videoblogs "OnlyFans" schon im Alter von 20 Selfmade-Millionärin und Niko Kovač stellt Julian Brandt auf eine Stufe mit Jamal Musiala und Florian Wirtz. Für alle, die Abseits nicht abendfüllend erklären können und Franz Beckenbauer für einen Anlagenmechaniker halten: Das ist in etwa so, als würde Lucas Cordalis sagen, Kader Loth sei als Politikerin auf dem Niveau von Willy Brandt und Angela Merkel. Obwohl: Loth war 2009 zumindest mal Frauenbeauftragte des Berliner Landesverbandes der Kleinpartei FU (Freie Union), die 2011 bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus Berlin immerhin 71 Stimmen erhielt.
Kanzler der Schmerzen
Womit wir auch schon bei Olaf Scholz wären, dem Kader Loth der Bundeskanzler. Auch in seiner Branche gab es in der vergangenen Woche die eine oder andere Umstrukturierung. Sie haben es neben den spektakulären News um Beil, Becker und Kovač vielleicht am Rande mitbekommen: Deutschland hat einen neuen Bundestag gewählt. Friedrich Merz wird neuer Kanzler. Davon darf man wohl mit noch größerer Sicherheit ausgehen, als dass Preußen Münster diese Saison nicht in die Erste Bundesliga aufsteigen wird.
Ein mit 28,5 Prozent nicht unbedingt phänomenales Ergebnis (tatsächlich das zweitschlechteste der Unions-Historie), aber in Anbetracht der Armada von Merz-Allergikern unter den hierzulande operierenden Meinungsmultiplikatoren durchaus beachtlich. Immerhin hatte der öffentlich-rechtliche Rundfunk monatelang im Kuschelmodus mit dem grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck fraternisiert. Das jedenfalls behaupten prominente Vertreter von CDU/CSU und AfD, die zuletzt insgesamt auffallend häufig unisono argumentierten. Dazu kommt noch der feministische Gegenwind für Merz' Ausflug in die Geschlechterparität: "Das ist schiefgegangen in der letzten Bundesregierung mit Christine Lambrecht. Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen."
Rosen sind rot, schön der Advent, die SPD hat 16 Prozent
Ziemlichsicherneukanzler Merz profitierte andererseits von der Schwäche der Sozialdemokratie. Die ehemalige Partei des kleinen Mannes schafft es, ihre Hauptkompetenz zu verwässern und bei ihrer Kernzielgruppe, den Arbeitern, dramatischer abzuschmieren als Frank Thelen mit seiner Wahlempfehlung für die FDP. Als Bonus gelang, begleitend zum schlechtesten Ergebnis aller Zeiten, erstmals das Kunststück, aus einer Koalition, in der sie selbst den Kanzler stellt, als Verlierer hervorzugehen. Bislang war der SPD dies lediglich in GroKo-Konstellationen geglückt, in denen sie als Juniorpartner fungierte. Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist die Merkel-Ära, in der es ihr bei drei Anläufen stets eindrucksvoll glückte, dass jede Fehlentscheidung auf die SPD als renitenten Koalitionspartner zurückfiel, während Angela Merkel alle Erfolge für sich verbuchen konnte.
Ob es Merz gelingen wird, unser zerrissenes Land als Kanzler der gesellschaftlichen Einheit wieder in euphorischere Gewässer zu manövrieren, da sind die Meinungen geteilt. Abseits der Union zumeist auf die beiden Positionen "tendenziell nein" und "auf keinen Fall!" Ob Friedrich Merz kommunikationsstrategisch mit seiner postelektiven ad hoc Themengarnitur eher auf das trojanische oder das Gewinnerpferd gesetzt hat, bleibt somit abzuwarten. Zentral ging es ihm zunächst offenbar um zwei Anliegen. Zum einen den sofortigen Rückbau der frisch von der Ampel installierten Wahlrechtsreform. Zum anderen die Etablierung einer Machtstruktur im klassischen Stil der 50er Jahre - nach wie vor das Lieblingsjahrzehnt der meisten Unionswähler.
Direktmandats-Mafia Ampel
Zum ersten Thema postuliert Merz bereits Stunden nach dem vorläufigen Endergebnis wortreich das Ende der Volksherrschaft, nachdem der Bundeswahlleiter gründlich durchgezählt und dann mitgeteilt hatte, aufgrund der Wahlrechtsreform würden 23 Wahlkreisgewinner, eigentlich per Direktmandat im neuen Bundestag, ersatzlos gestrichen. Das parteiinterne Zweitstimmenergebnis decke leider die Anzahl der Erststimmensieger nicht ab. Größtenteils betroffen: Unionskandidaten. Mit der Verve eines beleidigten Starstürmers, dem ein verunglückter VAR-Einsatz auf skandalöse Weise den entscheidenden Siegtreffer im Champions League Finale weggepfiffen hatte, diktiert Merz also in die Notizblöcke der annähernd vollständig angetretenen Hauptstadtjournaille, nun wäre durch das volkswillenruinierende Ampel-Vermächtnis eine quasimafiöse Betrugsstruktur installiert worden, die rechtschaffenen Bürgern und Bürgerinnen aus 23 Wahlkreisen auf kriminelle Weise ihren Bundestagsabgeordneten raubt. Darunter komplette Städte wie Lörrach, Tübingen, Heidelberg oder Mannheim.
Ich kann die Aufregung grundsätzlich nachvollziehen. Allerdings habe ich ebenfalls keinen eigenen Bundestagsabgeordneten und ich habe zehnmal mehr Follower als Lörrach, Tübingen, Heidelberg und Mannheim zusammen. Andererseits ist es vom Demokratiegedanken her betrachtet nachvollziehbar, die Reform direkt wieder kassieren zu wollen. Ob eine in erster Linie machtsystemrelevante Frage aber das optimale Eröffnungsthema für die Merz-Legislatur abgibt, scheint fraglich. Sich vornehmlich über das eigene Mandatsdilemma zu echauffieren, könnte beim Souverän auch Wirkmacht als Politikverdrossenheits-Katalysator erzeugen.
Das letzte Abendmahl für Diversität
Bis Merz seinen jahrzehntelang herbeigesehnten Kanzlertraum auch in gesellschaftsobligaten Fragen konvertieren lässt, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Sein zweites Chefthema scheint zum Start seiner bevorstehenden Amtszeit die Transformation der Bundespolitik in ein "Mad Men"-Szenario zu sein. Eine Männergesellschaft, in der Frauen primär als Kaffee holende Schmuckstücke und nervende Fleißaufgaben abarbeitende Zulieferinnen fungieren. Um diesen Anspruch zu untermauern, startet die neue unerschütterliche Unionseinheit Merz/Söder erstmal mit einem Gruppenbild aus der Machtzentrale der Union, für das die Vokabel "MANNschaft" erfunden wurde.
Umhüllt vom Charme einer Versicherungsfiliale in einer Kleinstadt ohne eigenen Bahnhof, in der Bernd Stromberg sein Team mit individuellen Businessweisheiten weiterbildet, thront mit Merz, Markus Söder, Alexander Dobrindt, Carsten Linnemann, Thorsten Frei und Martin Huber hübsch drapiert um einen bemerkenswert schmucklosen Konferenztisch die amtierende Unions-Elite. Ihr gelingt es dabei mühelos, das perfekte Symbolbild für "Alte, weiße Männer" zu kreieren. Ich nenne das Werk: das letzte Abendmahl für Diversität. Ein vor allem deswegen erschreckendes Premierenfoto, weil es der Union mit beispielsweise Dorothee Bär, Serap Güler oder Julia Klöckner nicht unbedingt an populären Frauen fehlen würde.
Es gibt aber auch positive Meldungen aus dem Resultatezirkus nach der Bundestagswahl. Etwa die Wahlbeteiligung. Mit 82,5 Prozent lag sie zuletzt 1987 höher. Da war ich noch nicht geboren, Deutschland erst zwei Mal Weltmeister und Helmut Kohl bildete sein drittes Kabinett. Oder das Wahlergebnis der Partei MERA25, die primär auf die Karte terrorverharmlosendes Hamas-Cheerleading gesetzt hatte und mit 658 Wählern am Ende weniger Stimmen erhielt, als die Spitzenkandidatin inzwischen Strafanzeigen wegen Volksverhetzung gesammelt haben dürfte. Hier wäre es konsequent, die Partei zukünftig unter "MERA0,0000025" zu führen.
Ebenso schlecht gealtert ist die Wahlprognose von Ex-Die-Linke-MdB Fabio De Masi. Der hatte im August 2023 prophezeit, nach seinem Abgang zum Bündnis Sahra Wagenknecht würde bei seiner früheren Partei "nur noch der Insolvenzverwalter kommen". Nun hat das BSW die Fünf-Prozent-Hürde nicht überschreiten können, während die Linke mit 8,8 Prozent ihr Ergebnis annähernd verdoppelte und mit spürbarem Einfluss in den 21. Bundestag einzieht. "Hochmut kommt vor dem Fall", sagt da der Volksmund, und "wir müssen reden" Wladimir Putin. In diesem Kontext kann eigentlich nur Oskar Lafontaine als echter Gewinner der Wahl tituliert werden. Er hat es dieses Jahr immerhin geschafft, nach SPD, WASG und Die Linke mit dem BSW bereits die vierte Partei zu ruinieren. So oder so: Eine Wahl, die uns noch lange beschäftigen wird.
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