Die FDP ist aus dem Bundestag geflogen - vor ihr liegt ein langer, dunkler Weg zurück. Gehen will ihn Noch-Fraktionschef Dürr. In der Parteizentrale gibt er noch nicht preis, wie er das schaffen will. Aber der Gegner ist klar.

FDP-Chef zu werden, das ist wieder einmal ein Himmelfahrtskommando. Mit 4,3 Prozent flog die Partei aus dem Bundestag, ihr droht der Sturz ins Bodenlose. Immerhin klärt sich nun, wer die Partei nach dem Rückzug des Langzeit-Vorsitzenden Christian Lindner wieder nach oben führen soll: Der bisherige Fraktionschef Christian Dürr wird aller Voraussicht nach den Vorsitz der Partei übernehmen. Am Wochenende bewarb er sich mittels Video auf Social Media und an diesem Montag lud er die Presse ins Hans-Dietrich-Genscher-Haus, die FDP-Zentrale in Berlin. "Wenn man hinfällt, steht man wieder auf", sagte er da und rief erwartungsgemäß das Ziel aus, die FDP wieder in den Bundestag zu führen. "Spätestens 2029", wie er sagte.

Wie er das hinkriegen will, darüber wurde bei dem Termin einiges deutlich. Hauptgegner der FDP scheinen ab sofort CDU und CSU zu sein, die Schuldenbremse bleibt zentrales Thema und als Zielgruppe hat Dürr insbesondere junge Wähler ausgemacht. Dürr nutzte die Gelegenheit, Kanzlerkandidat Friedrich Merz zu attackieren. Der laufe mit dem geplanten Milliarden-Finanzpaket "in die komplett falsche Richtung", sagte er. "Da ist ja null, aber auch gar kein Reformwillen mehr erkennbar bei denjenigen, die jetzt eine neue Bundesregierung bilden wollen. Null Reformwillen, ausschließlich Geldausgeben ist angesagt."

Zentrales Thema der FDP solle Generationengerechtigkeit werden, kündigte Dürr an. Die halten meist jene hoch, die sich gegen eine übermäßige Staatsverschuldung aussprechen - deren Zinsen auf künftigen Generationen lasten. Offenbar soll Generationengerechtigkeit zur Chiffre für die Schuldenbremse werden, die in den vergangenen drei Jahren zum alles überstrahlenden Thema der FDP geworden ist. Viele Unionswähler hätten den Eindruck gehabt, sie bekämen diese Generationengerechtigkeit auch bei der Union, sagte Dürr. Viele von ihnen seien nun "bitter enttäuscht". Junge Wähler zu erreichen, sei ihm Herzensangelegenheit, so Dürr zudem. Er wolle die FDP zur "modernsten Partei" Deutschlands machen. Allerdings ließ er offen, was er damit meinte.

Attacken auf Merz, aber wenig Konkretes zur FDP

Auch beim künftigen Personal hielt Dürr sich bedeckt. Er kündigte lediglich an, er wolle die Partei im Team führen. Wolfgang Kubicki und Marie-Agnes Strack-Zimmermann sollen dabei eine wichtige Rolle spielen und nach seinem Wunsch im Präsidium der Partei sitzen. Dieser Team-Gedanke zeigte sich schon am Wochenende, als Kubicki ein Foto von sich, Strack-Zimmermann und Dürr postete. "Zusammen in der liberalen Familie", schrieb er dazu. Dürr sagte, zum neuen Team sollten "neue Köpfe und selbstverständlich auch bekannte Gesichter zählen". Welche, das wollte oder konnte er noch nicht sagen. So schwieg er sich darüber aus, wer sein Generalsekretär werden könnte.

Eine Doppelspitze schloss Dürr nicht aus, machte aber deutlich, wie wenig er davon hält. Er bewerbe sich auf den Vorsitz, so wie er in der Parteisatzung stehe. Und da ist nur eine Person vorgesehen. Eine Satzungsänderung sei bis zum Wahlparteitag im Mai ohnehin nicht mehr möglich, sagte der FDP-Landeschef von Baden-Württemberg, Hans-Ulrich Rülke, der gemeinsam mit Dürr vor die Presse getreten war.

Auffällig war, wie wenig sich Dürr von seinem Vorgänger Christian Lindner abgrenzte. Gefragt nach Unterschieden zum Langzeit-Parteichef, begann er mit dem Hinweis darauf, dass er einen anderen Nachnamen habe. Die FDP habe Christian Lindner viel zu verdanken, sagte Dürr. Auf seiner Arbeit lasse sich aufbauen. Er tausche sich weiter mit Lindner aus.

Ein Unterschied könnte vor allem die Betonung des Team-Gedankens an der Spitze sein. Ein Dauervorwurf gegen Lindner war, er habe die FDP zu einer One-Man-Show gemacht, sie voll auf sich zugeschnitten. Das war vor allem in den ersten Jahren eine erfolgreiche Strategie. Doch Dürr verfügt nicht über die Strahlkraft, die Lindner hatte. Er braucht Persönlichkeiten mit jeweils eigenem Profil neben sich. Für einen Richtungswechsel steht er dabei nicht - eher für ein Weiter-So mit Korrekturen im Detail.

Offensichtlicher Kandidat Dürr

Dass Dürr Parteichef werden will, dürfte in der Partei dennoch für Aufatmen sorgen. So langsam wurde das Spitzenpersonal knapp. Reihenweise sagten bisherige Spitzenkräfte der FDP, sie wollten nicht das Erbe Lindners antreten. Kubicki wollte es erst nicht machen, dann doch, dann wieder nicht. Bei Strack-Zimmermann war es ebenso. Der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel hat auch schon etwas anderes vor. So war Dürr der letzte der offensichtlichen Kandidaten. Gegenkandidaten gibt es daher - nach jetzigem Stand - nicht, und die Rückendeckung der Funktionärsebene hat er ebenfalls.

Das bestätigte Rülke: Bei der FDP-Klausur am Wochenende in Kiel sei das deutlich geworden, sagte er. Dort waren nicht nur die Landes- und Fraktionschefs der Partei zusammengekommen, sondern auch die Antagonisten Kubicki und Strack-Zimmermann. "Ich freue mich sehr, dass Christian Dürr bereit ist, für die FDP in die Schlacht zu ziehen", sagte Rülke.

Eine Schlacht dürfte es werden. Sang- und klanglos ist die Partei bei der Bundestagswahl gescheitert. Sie hat künftig keine Bühne mehr, das Medieninteresse wird stark nachlassen und sie wird kämpfen müssen, überhaupt noch wahrgenommen zu werden. So wie in den Jahren nach 2013, als die FDP das erste Mal aus dem Bundestag flog. Immerhin ist sie anders als damals nicht verschuldet, sondern steht finanziell gut da. So gut, dass sie Dürr ein Gehalt zahlen könnte, was ein Novum in der Parteigeschichte wäre. Nötig wäre es: Ein Einkommen aus einem Abgeordnetenmandat hat Dürr nach dem Bundestags-Aus nicht mehr. Arbeit wird er dagegen genug haben.

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