Die Debatte über den Entzug der Staatsangehörigkeit bei Straffälligkeit und die "Remigration"-Pläne der AfD sorgen für Verunsicherung bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Dabei halten sie die deutsche Wirtschaft am Laufen - und wirken dem Fachkräftemangel entgegen.

Baustellen, Lebensmittelindustrie oder Gaststätten: In vielen Bereichen der deutschen Wirtschaft würde ohne zugewanderte Beschäftigte kaum etwas funktionieren. Im Jahr 2023 hatten zwei von drei Beschäftigten (67 Prozent) im Aus- und Trockenbau eine Einwanderungsgeschichte, wie das Statistische Bundesamt auf der Grundlage der Umfrage zum Mikrozensus mitteilte. In der Lebensmittelherstellung hatten 51 Prozent einen Migrationshintergrund, wie auch Fliesenleger, Bus- und Lastwagenfahrer oder Servicekräfte in der Gastronomie überdurchschnittlich häufig ausländische Wurzeln haben.

Eine Person hat eine Einwanderungsgeschichte, wenn sie selbst oder beide Elternteile seit 1950 nach Deutschland eingewandert sind, erläuterte die Statistikbehörde. Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, sind hier nicht enthalten. Der Mikrozensus ist eine Stichprobenerhebung, bei der jährlich rund 1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland befragt wird. Die Ergebnisse beruhen auf den Selbstauskünften der Befragten.

In der Gesamtwirtschaft berichtet ein gutes Viertel (26 Prozent) der Beschäftigten, eine Einwanderungsgeschichte zu haben. Überdurchschnittliche Anteile gibt es unter anderem auch im Verkauf von Lebensmitteln (41 Prozent), in der Altenpflege mit 31 Prozent oder im Metallbau mit 30 Prozent. Hier handelt es sich laut der Bundesagentur für Arbeit um ausgesprochene Mangelberufe.

Vergleichsweise wenige Menschen mit Einwanderungsgeschichte finden sich hingegen in der öffentlichen Verwaltung, einschließlich Verteidigung und Sozialversicherung (10 Prozent), bei Versicherungen (13 Prozent) oder Finanzdienstleistungen (15 Prozent) sowie in Erziehung und Unterricht (17 Prozent).

Gut jeder zehnte Abgeordnete hat Migrationshintergrund

Indes liegt der Anteil der Bundestagsabgeordneten mit Migrationshintergrund im neuen Bundestag in etwa auf dem Niveau von 2021. Nach einer Recherche des Mediendienstes Integration haben rund 11,6 Prozent der frisch gewählten Abgeordneten einen Migrationshintergrund im Sinne der Untersuchung. Im 2021 gewählten Bundestag waren es 11,3 Prozent. Gemeint sind sowohl Menschen, die bei der Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten, als auch jene mit mindestens einem Elternteil, auf den das zutrifft.

Den höchsten Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund hat demnach aktuell die Grünen-Fraktion mit 20 Prozent, gefolgt von der Linken (18,8 Prozent) und der SPD (17,5 Prozent). Bei CDU und CSU ist der Anteil mit 6,3 Prozent deutlich geringer, liegt aber etwas über dem Wert der Fraktion von 2021. Damals hatten lediglich 4,1 Prozent der Unionsabgeordneten einen Migrationshintergrund. Der geringste Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund findet sich diesmal in der AfD-Fraktion. Hier liegt er den Recherchen zufolge bei 5,9 Prozent, nach 7,2 Prozent im alten Bundestag.

Die Grünen-Abgeordnete Misbah Khan sagte, sie sei enttäuscht, dass der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im Bundestag nach wie vor weit unter ihrem Anteil an der Bevölkerung liege. 2023 hatten laut Mikrozensus etwa 29,7 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund; knapp die Hälfte waren deutsche Staatsbürger.

Große Verunsicherungen

Für große Verunsicherung unter Menschen mit Einwanderungsgeschichte habe zuletzt der Vorschlag aus der Union gesorgt, Eingewanderten mit doppelter Staatsangehörigkeit, die straffällig werden, den deutschen Pass wegzunehmen, sagte die Grünen-Abgeordnete Misbah Khan aus Rheinland-Pfalz. Der Doppelpass sei für einige Eingebürgerte auch keine freiwillige Entscheidung, da einige Staaten ihre Bürger nicht aus der Staatsbürgerschaft entließen.

Die AfD hatte in ihr Wahlprogramm auch den umstrittenen Begriff "Remigration" aufgenommen, der im rechten Spektrum für die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund steht. Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel forderte im Bundestagswahlkampf, die "Massenzuwanderung" nach Deutschland umzukehren.

Insbesondere unter aus Syrien und Afghanistan stammenden Menschen, in deren Herkunftsländern die Kampfhandlungen weitestgehend beendet seien, sehe man ein großes "Remigrations"-Potenzial, das sogar von den Regierungen der jeweiligen Herkunftsländer ausdrücklich eingefordert werde, heißt es auf der Homepage der AfD.

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