Für die Verteidigung stehen nun Milliarden bereit. Das mit Kampfdrohnen in der Ukraine aktive deutsche Rüstungsunternehmen Helsing plädiert daher zum Schutz der Ostflanke für autonome Systeme. Diese seien für Demokratien gemacht, erklärt der Chef. Doch Deutschland sei bei dem Thema blank.
Das Rüstungsunternehmen Helsing plädiert für den schnellen Aufbau einer glaubhaften Abschreckung an der Nato-Ostflanke mit neuartigen Kampfdrohnen. "Dieser Drohnenwall ließe sich innerhalb eines Jahres errichten. Man braucht dazu Aufklärungssysteme, Satelliten und wahrscheinlich Aufklärungsdrohnen", sagt Gundbert Scherf, Mitbegründer und Co-Vorstandsvorsitzender des Unternehmes.
Das Münchner Unternehmen ist auf die Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) für die Rüstungsbranche spezialisiert. Es hat zunächst für den Einsatz in der Ukraine die Drohne HX-2 entwickelt, die Künstliche Intelligenz nutzt, um Sprengladungen auf ein Ziel zu steuern und dabei weniger anfällig für Störmaßnahmen zu sein.
Helsing hat zudem eine Partnerschaft mit dem französischen Raumfahrt-Startup Loft Orbital begründet, um mit Aufklärungssatelliten Grenzen und Truppenbewegungen überwachen zu können. Mit dem schwedischen Hersteller Saab wird der Einbau einer KI-Anwendung für den Luftkampf in den Gripen-Kampfjet vorbereitet. Außerdem will Helsing bald ein autonomes System für die Anwendung auf See vorstellen.
Scherf: Demokratien können keinen Abnutzungskrieg führen
Die Kombination von Aufklärungs- und Kampfdrohnen sei eine intelligente Sperre. Feindliche Kräfte würden bekämpft, aber eigene Truppen durchgelassen. Ein "Drohnenwall" könne damit auch Minensperren ersetzen.
"Es ist ein bisschen paradox, aber gerade autonome Systeme sind für Demokratien gemacht. Wir schätzen das Leben, wir leben auch alle gerne ein gutes Leben. Ich glaube nicht, dass unsere Demokratien einen Abnutzungskrieg, der viele Menschenleben kostet, führen können oder wollen", sagt Scherf. "Wir sind wirklich darauf angewiesen, diese asymmetrischen, technologischen Fähigkeiten zu haben. Asymmetrische Technologie gewinnt."
Deutschland ist blank
In Deutschland ist der Einsatz von bewaffneten Drohnen und automatisierten Waffensystemen seit langer Zeit umstritten. Noch 2020 hatte die SPD als kleinerer Partner in der Regierung mit der Union das Thema auf Eis legen lassen: Der Schutz der eigenen Soldaten sei wichtig, als "Friedenspartei" sehe man aber die Dimension der Drohne als Angriffswaffe, erklärten SPD-Vertreter damals. Fritz Felgentreu, damals verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schmiss sogar aus Protest hin, um sich nicht verbiegen zu müssen. Erst der Großangriff Russlands auf die Ukraine 2022 veränderte die Lage grundsätzlich.
"Wenn wir an die Nato-Ostflanke denken, also 3000 Kilometer Grenze, und mit Masse dorthin kommen, auf asymmetrische Fähigkeiten setzen, also Zehntausende Kampfdrohnen dort konzentrieren, dann ist es eine sehr glaubwürdige konventionelle Abschreckung", sagt Scherf. "Aktuell läuft die Debatte noch wie im Kalten Krieg. Da zählen wir Panzersysteme, Flugzeuge und Schiffe auf der anderen Seite und gucken, ob wir mit viel Geld irgendwie in die Nähe von Parität kommen. Das ist falsch herum gedacht." Die Erfahrung der Ukraine zeige, es müsse auf asymmetrische Technologien gesetzt und mit Masse neue Dilemmata erzeugt werden.
Auch deutsche Militärplaner und Wissenschaftler befassen sich mit Hinweis auf die schnelle Aufrüstung Russlands mit den neuen Konzepten und ziehen Lehren aus der Ukraine. Im Baltikum wird ein "Drohnenwall" schon diskutiert. Drohnen werden dabei nicht als Alternative zu Panzern und Artillerie gesehen, sondern als notwendige Ergänzung - bei der Deutschland allerdings auch mehr als drei Jahre nach der Zeitenwende noch ziemlich blank ist.
"Der Mensch entscheidet"
Die HX-2 ist laut Helsing in der Lage, Artilleriewaffen, Panzerfahrzeuge und andere militärische Ziele auf bis zu 100 Kilometer Reichweite zu bekämpfen. Weil sie ihr Ziel und den Weg dahin mit KI erkennt, ist sie weniger anfällig für gegnerische Störmaßnahmen, die in Russland und der Ukraine auf beiden Seiten intensiv eingesetzt werden.
Wolle man eine Drohne ohne GPS-Koordinaten navigieren, "muss das System anhand von Kartenmaterial abgleichen, was es auf dem Boden sieht", sagt Helsing-Chef Scherf. "Dafür braucht es eine Intelligenz an Bord, damit die Drohne überhaupt in den Zielkorridor kommt."
Typischerweise sind die Ziele demnach versteckt, die Drohne unterstützt die Suche. Der Pilot muss das Ziel in jedem Fall noch bestätigen. Der Mensch entscheide, sagt Scherf. Dann aber könne die Waffe von einem KI-Agenten autonom ins Ziel gelenkt werden. Fachleute nennen die drei Schritte ihm zufolge Navigation, Detektion und schließlich "Mission Execution". Ukrainische Soldaten lernen die Bedienung in einigen Wochen.
Zehntausende Drohnen im Monat
Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz teilte Helsing mit, für die Ukraine weitere 6000 Kampfdrohnen zu bauen - zusätzlich zur laufenden Lieferung von 4000 Kampfdrohnen. In Süddeutschland sei die erste Produktionsanlage für eine lokale und souveräne Fertigung ("Resilience Factory") in Betrieb genommen worden, heißt es.
Helsing kündigte an, es würden an mehreren Standorten in Europa weitere dieser Fabriken errichtet. Diese könnten im Konfliktfall Zehntausende Einheiten pro Monat produzieren.
Das Unternehmen bezeichnet die Drohne als vergleichsweise billiges Massensystem mit stark asymmetrischer Wirkung. "Die Drohnen bekämpfen Systeme auf der anderen Seite, die einen deutlich höheren Gegenwert haben. Drohnen bekämpfen Panzer zu weniger als einem Prozent der Kosten", sagte Scherf. "Natürlich kann ein Gegner auch mit viel teureren Raketen auf Drohnen schießen. Aber wenn man so will, ist dann die Bekämpfung der Drohne eher die Zerstörung einer Rakete."
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