Die Opposition im US-Parlament will eine mutmaßliche Kommunikationspanne der Regierung untersuchen lassen, durch die ein Journalist des Magazins „The Atlantic“ offenbar einen Gruppenchat zu einem geplanten Militärangriff im Jemen mitverfolgen konnte.
Der demokratische Senator und Militärexperte Jack Reed erklärte, „wenn diese Geschichte wahr ist, stellt sie eines der ungeheuerlichsten Versäumnisse in Bezug auf die operative Sicherheit und den gesunden Menschenverstand dar, die ich je gesehen habe“. Militäroperationen müssten mit äußerster Diskretion und über genehmigte, sichere Kommunikationswege abgewickelt werden, denn es gehe um das Leben von Amerikanern. „Die Nachlässigkeit, die das Kabinett von Präsident Trump zeigt, ist erstaunlich und gefährlich. Ich werde sofort Antworten von der Regierung einfordern.“
Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, sprach von „amateurhaftem Verhalten“. Es handele sich um „eine der unglaublichsten Verletzungen“ militärischer Geheimnisse, die ihm je untergekommen sei.
Die frühere demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton postete den „Atlantic“-Artikel auf X und schrieb dazu: „Das soll wohl ein Scherz sein.“ Der damalige Präsidentschaftskandidat – und heutige Präsident – Donald Trump hatte ihr im Wahlkampf 2016 immer wieder vorgeworfen, E-Mails über einen privaten Account verschickt und damit Sicherheitsregeln missachtet zu haben.
Die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, schrieb auf X, in ihrer 30-jährigen Erfahrung mit den Geheimdiensten habe sie „noch nie zuvor eine so erschreckende Inkompetenz bei der Sicherung der Geheimdienste unseres Landes erlebt“. Der demokratische Abgeordnete Don Beyer forderte, es müssten „Köpfe rollen“. Es handele sich um eine der „dümmsten Sicherheitsverletzungen der Geschichte“.
Selbst bei den Republikanern wird vorsichtig Kritik laut. Senator Roger Wicker, der Vorsitzende des Senatsausschusses für Streitkräfte, sagte CNN, dass die Sicherheitslücke „Anlass zur Sorge“ gebe und dass sein Gremium die Angelegenheit „auf jeden Fall“ prüfen und Informationen einholen werde.
Im Interview mit WELT TV sprach der US-Journalist und Sicherheitsexperte Erik Kirschbaum von einem „unfassbaren Sicherheitsbruch“. „Das ist eine Gefährdung von Soldaten. Da waren wirklich Amateure am Werk“, so Kirschbaum weiter.
Auch er erwartet personelle Konsequenzen nach dem Sicherheitsleck. „Hegseths Kopf ist jetzt am gefährdetsten. Es wird Konsequenzen geben. Mike Walz, der Sicherheitsberater, der die Personen in den Chat eingeladen hat, ist in Gefahr“.
Gleichzeitig ermögliche der Vorfall aber auch einen interessanten, wenngleich nicht sonderlich überraschenden Einblick hinter die Kulissen. „Man sieht, dass die Trump-Regierung die Schnauze von Europa voll hat, zu zahlen für diese Verteidigung. Europa wurde auf eine krasse Weise beleidigt.“
Gewinner in dieser Situation sei eigentlich nur einer: Kremlchef Wladimir Putin, schlussfolgert der US-Amerikaner. Es sei ein Signal für eine weitere Spaltung zwischen den USA und den Europäern. „Da freut sich Putin auch zu lesen, dass J.D. Vance so eine schlechte Meinung von den Europäern hat.“
Die Signal-App nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen
Bei der Gruppenunterhaltung führender Regierungsvertreter über die Messenger-App Signal soll es um den – da noch bevorstehenden – Angriff auf die Huthi-Miliz im Jemen gegangen sein. Der Chefredakteur des renommierten US-Magazins „The Atlantic“, Jeffrey Goldberg, war nach eigenen Angaben versehentlich in die Gruppe aufgenommen worden und machte den Vorgang später publik. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, bestätigte, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei. Er kündigte eine interne Prüfung an.
Üblicherweise gibt es strenge Regularien dazu, wie die US-Regierung mit vertraulichen und streng geheimen Informationen umzugehen hat, die die nationale Sicherheit betreffen. Das gilt umso mehr für konkrete Pläne zu Militäreinsätzen im Ausland. Die Signal-App ist laut „Atlantic“ von der US-Regierung generell überhaupt nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen.
Goldberg beschreibt in seinem Artikel detailliert den Austausch zwischen den Beteiligten im Chat – mit exakten Uhrzeiten und Originalzitaten. Diskutiert wurden demnach sowohl die militärische Taktik als auch die politische Kommunikation rund um den geplanten Schlag gegen die Huthi-Miliz im Jemen. Als Gruppenmitglieder führte Goldberg unter anderem Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio sowie weitere Kabinettsmitglieder und hochrangige Regierungsbeamte auf.
„Betrügerischer sogenannter Journalist“
Hegseth bestritt den „Atlantic“-Bericht später vehement. „Niemand hat Kriegspläne getextet“, antwortete er am Flughafen in Hawaii auf eine Reporter-Frage nach seiner Landung. Der frühere TV-Moderator des Sender Fox News verunglimpfte Goldberg als „betrügerischen und diskreditierten sogenannten Journalisten“, der es sich zum Beruf gemacht habe, eine Kampagne gegen die Regierung zu fahren und immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten.
Trump selbst hatte zuvor erklärt, er habe von dem Gruppenchat noch nicht gesehen, sei aber ohnehin „kein großer Fan“ des „Atlantic“-Magazins. Er teilte auch einen Tweet seines Vertrauten Elon Musk, indem der regelmäßig gegen kritisch berichtende Medien austeilende Tech-Milliardär lästerte, der beste Ort zum Verstecken einer Leiche sei die Seite zwei des „Atlantic“ – weil dort nie jemand hinschaue.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Don Beyer sei Republikaner. Bei ihm handelt es sich allerdings um einen Demokraten. Wir haben den Fehler korrigiert.
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