Der neue Deutsche Bundestag tritt erstmals zusammen. Gregor Gysi hält die erste Rede als Alterspräsident - und plädiert für Respekt untereinander.

Als Alterspräsident des Bundestags hat der Linken-Politiker Gregor Gysi alle Abgeordnete aufgefordert, den jeweils anderen Standpunkt zu respektieren. Zugleich appellierte Gysi an die Mitglieder des Bundestags, einfacher und bürgernäher zu sprechen. "Im Übrigen müssen wir alle ehrlicher werden", forderte der 77-Jährige.

Gysi begann seine Rede zur Konstituierung des Bundestags mit der Friedenspolitik. Politiker, die auf Rüstung und Abschreckung setzten, dürften nicht als "Kriegstreiber" bezeichnet werden, mahnte er. Andererseits seien Menschen wie er selbst, die auf Diplomatie und eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa einschließlich Russlands setzten, keine "Putin-Knechte".

"Es gibt also unterschiedliche Auffassungen, wie man zum Frieden gelangt", sagte Gysi. "Wir müssen einfach lernen zu respektieren, dass es diese Unterschiede gibt. Wenn wir mehr Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung erreichen wollen, sollten wir in unserer Sprache das Maß wahren, nicht immer bei Menschen mit anderer Auffassung das Übelste unterstellen."

Bundestag agiert in "schwerer Zeit"

Der neue Bundestag müsse in "schwerer Zeit" agieren, so der Linken-Politiker. "Die Bundeswehr muss selbstverständlich verteidigungsfähig sein", sagt Gysi. Frankreich gebe jedoch weniger Geld für sein Militär aus als Deutschland. "Liegt es wirklich an der Menge des Geldes oder könnte es nicht sein, dass das Geld auch falsch eingesetzt wird, wenn die französischen Streitkräfte die Verteidigungsfähigkeit mit weniger Geld herstellen können?"

Gysi erinnerte in seiner Rede an seine Anfangszeiten im Parlament und erklärte, "niemals daran geglaubt zu haben, Alterspräsident zu werden". "Alle aus den alten Ländern zu überholen war nicht einfach, aber ich habe es geschafft."

Neben dem Themenbereich Krieg und Frieden streifte Gysi eine Vielzahl von Themen, wie Bildung, Steuern und Belastungen für die Bürger oder auch die Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie. Die Inflation in den vergangenen Jahren betraf speziell Personen, die von Sozialleistungen leben oder niedrige Renten erhielten. "Sie verlieren das Vertrauen in die etablierte Politik, wenn keine ernsthaften Maßnahmen dagegen unternommen werden." Im Bereich Migration forderte er sofortige Arbeitserlaubnis für Asylsuchende.

Bei verschiedenen Themenbereichen plädierte er für eine überparteiliche Zusammenarbeit. Dafür sollten Gremien einberufen werden, um offen, ehrlich und ohne Öffentlichkeit bestimmte Fragen zu erörtern. Als Themen für solche Gremien nannte Gysi eine sichere künftige Rente, Fragen der Steuergerechtigkeit, die Finanzierung des Gesundheitswesens und eine Reform für weniger Bürokratie.

Zuvor war die AfD bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags mit dem Versuch gescheitert, das Amt des Alterspräsidenten zu bekommen. Ihr Antrag, dass dieses Amt nicht der Abgeordnete mit den meisten Jahren im Parlament, sondern der mit den meisten Lebensjahren erhält, wurde von den anderen Fraktionen geschlossen abgelehnt. Ältester Abgeordneter wäre der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, nannte Gysi eine "Galionsfigur der radikalen Linken".

Der 77-jährige Gysi ist Alterspräsident, weil er dem Bundestag mit mehr als 30 Dienstjahren am längsten angehört - mit einer Unterbrechung ist er seit der Deutschen Einheit 1990 Abgeordneter. Gysi, zu DDR-Zeiten prominenter Anwalt, wurde während des Umbruchs in Ostberlin Ende 1989 letzter Vorsitzender der Staatspartei SED. Daraus wurde die PDS und später die Linke.

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