Sanitätsautos stoppen auf einer Straße, minutenlang fallen Schüsse. Am Ende sind 15 Männer tot und 14 Leichen werden verscharrt. Klar ist, israelische Truppen haben geschossen. Aber war es eine Hinrichtung? Nach Aufkommen eines Videos räumt Israels Armee Fehler ein - aber nicht mehr.

Der Tod einer Gruppe von palästinensischen Rettungskräften im Gazastreifen durch Schüsse israelischer Soldaten bringt das Militär in Erklärungsnot. Laut der "Times of Israel" räumte die Armee am Abend ein, dass ihre anfängliche Darstellung des Vorfalls von vor rund zwei Wochen inkorrekt war. Die Truppen hätten jedoch niemanden hingerichtet und auch nichts zu vertuschen versucht. Unter den Getöteten seien mehrere Mitglieder der islamistischen Terrororganisation Hamas. Der Fall werde erneut untersucht und heute dem Generalstabschef Ejal Zamir vorgelegt, hieß es.

Ein Kranken- und ein Feuerwehrwagen waren am 23. März nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds (PRCS) in Rafah von israelischen Soldaten angegriffen worden. Die Leichen von 14 Männern konnten erst sieben Tage später aus einem Massengrab geborgen werden. Laut dem "Wall Street Journal" handelte es sich dabei um acht Sanitäter des Roten Halbmonds sowie sechs des palästinensischen Zivilschutzes. Zudem sei an einer anderen Stelle die Leiche eines UN-Mitarbeiters gefunden worden. Ein Mann werde vermisst.

Mann filmte in Erwartung seines Todes

Die israelische Armee hatte damals behauptet, dass sich mehrere Fahrzeuge auf verdächtige Weise - ohne Koordinierung und ohne Scheinwerferlicht - den Truppen genähert hätten. Das Militär habe nun eingeräumt, dass diese Darstellung falsch war und auf den Aussagen der Soldaten beruhte, die an dem Vorfall beteiligt waren, berichtete die "Times of Israel".

Der Rote Halbmond hatte bei einem der getöteten Sanitäter ein Mobiltelefon gefunden, auf dem die letzten Minuten des Rettungstrupps per Video und Audio aufgezeichnet sind - laut Nachrichtenagentur AFP ist es insgesamt knapp sieben Minuten lang. Auf dem Video sind Krankenwagen und ein Feuerwehrfahrzeug zu sehen, die deutlich markiert sind und sich mit Scheinwerferlicht und Blaulicht fortbewegen. Auf der Audiospur hört man den Mann immer wieder das islamische Glaubensbekenntnis vor sich hinsagen - wohl in Erwartung seines Todes. Da der Mann letztendlich starb, muss das Schießen auch nach Abbruch des oben via X eingebundenen Videoausschnitts fortgesetzt worden sein. Eine Kopie des Materials sandte die Organisation nach eigenen Angaben an den UN-Weltsicherheitsrat.

IDF: Sechs der Getöteten vom Geheimdienst

Durch einen UN-Diplomaten waren die Aufnahmen an die "New York Times" gelangt, die sie in der Nacht zum Samstag veröffentlichte. Laut der "Times of Israel" wollte die Armee den Zwischenfall in Rafah im Süden Gazas daraufhin erneut gründlich untersuchen. Auf der Bildaufzeichnung ist nach weniger als einer Minute nicht mehr viel zu sehen, da sich der Filmende offenbar angesichts des israelischen Beschusses in Schutzhaltung am Boden seines Fahrzeugs befindet. Schüsse sind weiter zu hören. Nach Einschätzung des Roten Halbmonds wurden die unbewaffneten Retter aus nächster Nähe erschossen. Die bisherigen Ermittlungen der Armee hätten dagegen ergeben, dass dies nicht der Fall war, berichtete die "Times of Israel".

Die Zeitung schreibt, mindestens sechs der 15 Getöteten seien von Geheimdienstmitarbeitern sofort als Hamas-Kämpfer identifiziert worden. Nach den tödlichen Schüssen habe ein Vize-Bataillonskommandeur mit seinen Soldaten die Leichen eingesammelt, sie in Sand eingegraben und die Stelle markiert. Nach Angaben des Militärs sei das Vergraben von Leichen eine gängige Praxis, um zu verhindern, dass wilde Hunde und andere Tiere die Leichen fressen. Soweit die Version des Militärs, die wohl auch an dieser Stelle Teil von Untersuchungen werden dürfte. Laut dem UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) wurden die Leichen in einem Massengrab entdeckt.

Später Zugang zu Leichen - warum?

Weiter schreibt die Zeitung, die Armee habe ein UN-Team über die Stelle informiert. Am nächsten Tag habe das UN-Team den Ort jedoch nicht finden können; die Armee sei da schon mit anderen Aufgaben befasst gewesen. Die UN-Seite sei dann aufgefordert worden, einige Tage später zurückzukehren. Dem "Wall Street Journal" zufolge hatte das Team der Vereinten Nationen dagegen mehrere Tage vergeblich auf die Erlaubnis der israelischen Armee gewartet, nach den Getöteten zu suchen.

Die Nachrichtenagentur AFP erfuhr aus israelischen Armeekreisen noch einen weiteren Erklärungsansatz der Vorfälle, nämlich dass es in den frühen Morgenstunden des 23. März zwei Zwischenfälle gegeben habe. Der erste Vorfall habe sich um 4 Uhr morgens ereignet, sagte ein Armeevertreter. Dabei hätten die Soldaten auf ein Fahrzeug geschossen, in dem sich Sicherheitskräfte der Hamas befunden hätten. Dabei seien zwei Menschen getötet und ein Verdächtiger festgenommen worden.

"Sie eröffneten das Feuer aus der Ferne"

Der zweite Vorfall - offenbar ist der mit den 15 Toten gemeint - ereignete sich demnach zwei Stunden später. Um 6 Uhr morgens hätten die Soldaten einen Bericht der Luftüberwachung erhalten, wonach sich "ein Konvoi in der Dunkelheit auf verdächtige Weise auf sie zubewegt". Die Soldaten seien davon ausgegangen, dass es sich um einen ähnlichen Vorfall wie zuvor handele.

"Sie eröffneten das Feuer aus der Ferne. Auf den Überwachungsbildern sehen wir, wie sie aus der Ferne schießen", sagte der Armeevertreter. Es habe "keine Handschellen, keine Schüsse aus nächster Nähe" gegeben. Die Streitkräfte hätten nicht versucht, "etwas zu vertuschen". "Sie dachten, sie seien auf Terroristen getroffen."

Auch diese Version - wenn sie denn stimmt - wirft etliche Fragen auf, etwa warum die Blaulichter der Sanitätswägen nicht beachtet wurden - und minutenlang auf die Menschen geschossen wurde. Beziehungsweise warum im Nachgang behauptet wurde, der Sanitätskonvoi sei als solcher nicht zu erkennen gewesen. Auch bleibt ungeklärt, warum - wenn man von vorneherein von Terroristen ausgeht -deren Telefone mit verscharrt werden. Laut BBC wurde das mit dem belastenden Video nämlich später im Grab gefunden.

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