Die Landkreise in Deutschland fordern einen Kurswechsel im Umgang mit Bürgerkriegsflüchtlingen und haben damit eine neue Asyldebatte ausgelöst. Mehrere Parteien unterstützen den Vorstoß des Präsidenten des Deutschen Landkreistags, Achim Brötel (CDU), einen Aufnahme-Stopp von Bürgerkriegsflüchtlingen zu prüfen.
„Wir stellen letztlich infrage, ob wir Bürgerkriegsflüchtlinge überhaupt aufnehmen müssen oder ob diese Menschen nicht besser in angrenzenden Bereichen der Krisenregionen verbleiben sollten“, sagte Brötel der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Auch die Politiker in Berlin müssen die Augen öffnen und sehen, dass wir nicht mehr grenzenlos weitere Flüchtlinge aufnehmen und vor allem auch integrieren können.“
Rückhalt bekam Brötel von der Union, die derzeit mit der SPD über eine schwarz-rote Koalition verhandelt. Einer der Knackpunkte in den Gesprächen ist die künftige Migrationspolitik. „Der Deutsche Landkreistag gibt einen wertvollen Hinweis für die Neuausrichtung unserer Migrationspolitik: Bürgerkriegsflüchtlinge müssen innerhalb sicherer Bereiche ihres Landes oder in Nachbarstaaten Zuflucht finden“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), WELT.
Die Grundregel des internationalen Flüchtlingsrechts laute: kurze Wege in Sicherheit und kurze Wege zurück in die befriedete Heimat. Nach Deutschland seien in den vergangenen Jahren zu viele Menschen aus weit entfernten Ländern gekommen, obwohl diese Personen auch näher ihrer Heimat hätten Schutz finden können. Die Konsequenzen dieser Politik müssten nun vor allem die Kommunen tragen.
AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem überfälligen Vorstoß. „Die Unterstützung von Kriegsflüchtlingen in angrenzenden Regionen ist nicht nur zielgenauer und effizienter, sie verhindert auch wirksam den Missbrauch des Flüchtlingsstatus‘ als Hintertür zur illegalen Migration in die überlasteten deutschen Sozialsysteme“, sagte Weidel WELT. „Flucht und Asyl bedeuten in jedem Fall Aufnahme auf Zeit.“ Sobald der Flucht- oder Asylgrund wegfalle, müssten die Betreffenden umgehend in ihre Heimat zurückkehren. Was Landkreistagspräsident Brötel fordere, sei festes Programm der AfD.
FDP-Parteivize Bettina Stark-Watzinger nannte die Sorgen der Kommunen, die die immer größere Zahl an Asylbewerbern kaum noch bewältigen könnten, „nachvollziehbar“. Ein Neuanfang in der Asylpolitik sei unter der geplanten schwarz-roten Regierung von CDU-Chef Friedrich Merz jedoch „keineswegs absehbar“. „Das stärkt jetzt die AfD.“
Künftig sollten nur noch Menschen aufgenommen werden, die klar nachvollziehbar die Kriterien für Asylsuchende erfüllen. „Asylverfahren sollen deshalb auch in Drittstaaten durchgeführt werden. Wir fordern die EU-Kommission auf, sämtliche Vorkehrungen hierfür zu treffen.“ Das entscheidende Kriterium dürfe lediglich sein, ob Schutzsuchende in dem Drittstaat sicher seien und rechtsstaatliche Verfahren gewährleistet werden könnten.
Zustimmung von Wagenknecht
Auch die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht äußerte Zustimmung. „Natürlich ist es vernünftiger, wenn Flüchtlinge in der Nähe ihres Herkunftslandes Schutz finden können. Den Weg nach Europa schaffen eh meist nur diejenigen, die die Schleuser bezahlen können und körperlich in der Lage sind, tausende Kilometer zu überwinden.“ Deshalb wären Kontingentlösungen besser, als ein „survival of the fittest zur Freude der Schlepperindustrie“ zu organisieren. „Und natürlich ist es eine Schande des Westens, dass er mit seinen Waffenlieferungen auch die Bürgerkriege dieser Welt munitioniert.“
Der Landkreistag habe mit seiner Forderung recht, dass die neue Bundesregierung unkontrollierte Migration beenden müsse. „Dazu gehört auch, dass Leistungen für abgelehnte Asylbewerber gekürzt und nach einer Übergangszeit gestrichen werden sollten“, so Wagenknecht.
„Der Umstand, dass jeder, der Deutschland erreicht, auf absehbare Zeit auch bleiben kann und faktisch nahezu die gleichen Leistungen erhält, egal ob abgelehnt oder nicht, ist ein wesentlicher Anreiz, nach Deutschland zu kommen.“ Dies gebe es in dieser Form in keinem anderen europäischen Land. „Weil man weiß, dass man auch bei einer Ablehnung die Schlepper bezahlen kann, machen sich viele erst auf den Weg.“
Als Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge gelten nach Angaben des Bundesinnenministeriums Personen, die wegen der Kriegsereignisse ihre Heimat aus Furcht vor den Auswirkungen kriegerischer Auseinandersetzungen verlassen. Die meisten von ihnen sind demnach keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, weil eine Kriegs- oder Bürgerkriegssituation für sich genommen keine gezielte Verfolgung darstellt. „Es handelt sich somit mehrheitlich um sogenannte ‚de-facto- Flüchtlinge‘, deren Aufenthaltsstatus je nach den Umständen ihrer Aufnahme und den jeweils bestehenden Ausreisehindernissen unterschiedlich sein kann.“ Eine große Gruppe in Deutschland sind etwa Migranten aus Syrien. Viele von ihnen haben einen Flüchtlingsstatus, ähnlich viele den „subsidiären Schutz“, weil ihnen im Herkunftsland ernsthafter Schaden drohe.
Widerspruch von den Linken
Die Linke widersprach dem Landkreistag. Diskussionen „um die Aushöhlung des Asylrechts sind die Folgen dieser ganzen Scheindebatten beim Thema Migration der letzten Monate“, sagte Bundesgeschäftsführer Janis Ehling WELT. Den Kommunen wäre viel mehr geholfen, wenn sie finanziell besser ausgestattet würden. „Am fehlenden Kita-Platz oder langen Warten für einen Termin beim Bürgeramt sind nicht die Kriegsflüchtlinge schuld, sondern die miserable Unterfinanzierung der Kommunen.“ Statt Kriegsflüchtlingen den Schutz zu verwehren, sollten Debatten über eine Vermögensteuer zur Finanzierung der Kommunen stattfinden.
Von SPD und Grünen war keine Stellungnahme zu erhalten.
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