Eigentlich duzen sie sich. Aber vor der Kamera nicht. Da müssen sie arbeiten und über den Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot diskutieren: Jens Spahn und Katharina Dröge. Die beiden Politiker sind zu Gast bei Sandra Maischberger.

CSU-Chef Markus Söder nannte ihn einen "Bestseller", den Koalitionsvertrag, den Union und SPD am Nachmittag präsentiert haben. So weit will der stellvertretende Unions-Fraktionschef Jens Spahn nicht gehen. Er spricht lieber von einem "Gesamtkunstwerk". Spahn macht einen sehr zufriedenen Eindruck, als er am Abend bei Sandra Maischberger zu Gast ist. Dort diskutiert Spahn mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge über das Programm der zukünftigen Bundesregierung.

Dröge ist natürlich nicht mit dem Koalitionsvertrag einverstanden. Die Ampelregierung, der ihre Partei angehörte, habe einen Schritt in die Zukunft geschafft. "Wenn ich mir anschaue, was CDU und SPD jetzt miteinander verabredet haben, dann ist das alles in allem ziemlich zäh und grau", so Dröge. Die Kompromisse, auf die sich die beiden Koalitionspartner verständigt haben, nennt Dröge "wurstelig". So baut laut Dröge die Koalition im Bereich Klimaschutz ab. "Sie sagen den jungen Leuten: Eure Zukunft ist uns komplett egal", sagt sie. Und: "Ich hätte mir ein bisschen mehr Mut zur Zukunft, ein bisschen mehr Aufbruch, ein bisschen mehr Verantwortung für dieses Land gewünscht. Wenigstens am Anfang mal zu versuchen, den Blick ein bisschen mehr nach vorne zu richten, wäre schon der Job gewesen. Die beste Entscheidung, die sie getroffen haben, liegt schon hinter ihnen. Das war die Grundgesetzänderung, das war die Reform der Schuldenbremse. Und was jetzt kommt, ist an vielen Stellen nur ein Verwalten des Status Quo oder ein Rückschritt."

"Mit der Entscheidung, Grundgesetzänderung und uns verteidigungsfähig zu machen, hat Friedrich Merz als Kanzler, bevor er gewählt worden ist, schon mehr geschafft, als mancher Kanzler in seiner ganzen Amtszeit", so Spahn. Die vorherige Bundesregierung habe schon nach vier Wochen keine Mehrheit im Bundestag gehabt, als sie eine Covid-Impfpflicht durchsetzen wollte. Die neue Regierung habe die schwierige politische Lage Deutschlands erkannt. "Wir müssen Probleme lösen", sagt Spahn, der allerdings mit vielen seiner eigenen Forderungen nicht durchgekommen ist.

So setzte er sich noch im vergangenen Jahr für eine Wiederanschaltung der Atomkraftwerke ein. Davon ist nun nichts im Koalitionsvertrag zu lesen. Das sei wenigstens richtig, lobt Dröge. Gleichzeitig wolle die schwarz-rote Koalition viele Vorhaben von Robert Habeck umsetzen. Das sieht Dröge auch positiv. Aber im Bereich Klimaschutz, betont die Grünen-Politikerin, handle die zukünftige Regierung verantwortungslos.

Das sind die Hauptthemen

Spahn beschreibt, was die Regierung in Zukunft vor allem plant: "Wir senken die Steuern. Wir schaffen Bürokratie ab, wie selten eine Regierung zuvor. Wir schaffen Beauftragte ab, wir werden das deutsche Lieferkettengesetz aufheben, die Bon-Pflicht fällt weg, das Heizungsgesetz schaffen wir ab, wir werden die Energiekosten runterbringen und das Energieangebot ausweiten. Es gibt Schulden für die Investition in Infrastruktur. Aber wir haben immer gesagt: Es muss mit der Wettbewerbsfähigkeit kommen, mit strukturellen Reformen." Das alles komme der Wirtschaft zugute. Die Gewerkschaften und die SPD arbeiteten mit der Union zusammen, wenn es darum gehe, dass Deutschland Industrieland bleibe. Das sei der Unterschied zu der früheren grünen Wirtschaftspolitik. Die neue Regierung wolle Jobs schaffen, die illegale Migration begrenzen und die Gesellschaft stabilisieren. "Das sind die Hauptthemen, und für die haben wir eine Antwort."

Was den Bürokratieabbau angeht, ist der Koalitionsvertrag allerdings nicht richtig konkret. Anzumerken ist vor allem: Die Regierung schafft ein neues Ministerium. Da soll alles hineingepackt werden, was der bayerische Ministerpräsident Markus Söder toll findet. Digitalisierung zum Beispiel, und da hat Deutschland einiges nachzuholen. Und Weltraumforschung. Und auch da ist Deutschland weit hinten. Aber immerhin gibt es mit Isar Aerospace ein bayerisches Startup, das unbedingt ins All will. Ende März gelang den Raketentüftlern aus Ottobrunn bei München das Unglaubliche: Eine "Spectrum"-Rakete des Unternehmens startete von Norwegen aus. Bis ins All kam die Rakete jedoch nicht. Nicht mal ansatzweise. Direkt nach dem Start stürzte sie ab. Fakt ist: Ein neues Ministerium schafft erst einmal mehr Mitarbeiter in der Regierung - und mehr Bürokratie.

Dröge ist sich sicher, das Leben für die Menschen werde teurer, schon weil die Krankenkassenbeiträge steigen. Ferner kritisiert sie: "Sie haben gesagt, Sie wollen das Rentenniveau stabilisieren, aber die Frage ist: Wie?"

Tatsächlich hat die neue Regierung dafür eine Kommission verabredet, die entsprechende Vorschläge machen soll. Man habe sich bei den Verhandlungen auf die dringend anstehenden Probleme konzentriert, verteidigt Spahn die schwarz-rote Politik. Man habe sich zunächst über die innere und äußere Sicherheit, die Verteidigungsfähigkeit und die Begrenzung illegaler Migration verständigt. "Das meine ich mit dem Durchwursteln", so Dröge. Allerdings hat auch die Ampelkoalition in Sachen Rente nicht viel auf die Reihe bekommen. Und dieser Koalition gehörten die Grünen an.

Die Migrationspolitik

Ein wichtiger Punkt für die kommende Bundesregierung ist die Migrationspolitik. Auch die kritisiert Dröge. Sie sei eine Mischung aus sinnlosen Härten und Maßnahmen, die der Wirtschaft schaden. So wolle Schwarz-Rot die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erschweren und außerdem die Grenzen schließen. "In einer Zeit, in der Donald Trump die Welt mit einem Handelskrieg überzieht, ist jetzt die Idee einer neuen Regierung, ausgerechnet den europäischen Binnenmarkt kaputtzumachen, indem man die deutschen Grenzen zu unseren Nachbarn schließt, die LKWs und die Pendler in die Staus schickt. Das ist wirtschaftspolitische Unvernunft", so die Grünen-Politikerin.

Die Grenzen wolle die Regierung nicht schließen, so Spahn. Aber: "Ein Land sollte wissen, wer warum die Staatsgrenzen übertritt. Und deswegen werden wir illegale Migration beenden. Wir werden wieder Kontrolle haben. Wir wollen Menschen an den Grenzen zurückweisen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben." Deutschland könne nicht alle Probleme lösen, indem alle Asylbewerber in dieses Land kämen, nur weil Deutschland im Zentrum Europas liege. "Wir werden eine Migrationswende machen, ja eine andere Politik." Das habe die Union mit der SPD vereinbart. Immerhin gehe es um die Existenz beider Parteien, denn ungelöste Probleme in der Migrationspolitik würden die AfD stärken. Da ist Spahn sicher.

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