Sebastian Ebert ist Fliegerarzt. In seiner Praxis führt er die obligatorischen regelmässigen Checks für Cockpit- und Kabinencrews durch und erteilt die medizinischen Lizenzen. Der Germanwings-Fall hatte direkte Auswirkungen auf diese Untersuchungen.

Seit dem Absturz im 2015 gibt es einen Fragebogen, der die mentale Gesundheit abfragt. So soll eine Dokumentation gewährleistet sein. Zudem muss die Pilotin oder der Pilot den Fragebogen unterschreiben. Vorher wurde die mentale Gesundheit lediglich anhand eines persönlichen Gesprächs geprüft.

Legende: Ein Tag nach der Tragödie: Ein Such- und Rettungshelfer an der Absturzstelle des in den französischen Alpen abgestürzten Germanwings-Airbus A320. (25.3.2015) Keystone / Guillaume Horcajuelo

21 Fragen müssen auf einer Skala von «stimme völlig zu» bis «stimme gar nicht zu» mit Kreuzchen beantwortet werden. Darunter etwa: «Ich hatte in letzter Zeit häufig starken Stress», «Ich habe Schuldgefühle, wenn ich Alkohol getrunken habe», «Meine finanzielle Situation ist angespannt» oder «Ich schlafe leicht ein».

Der Nutzen dieses Tests ist aber umstritten. Wer psychische Probleme verschleiern wolle, wähle die Antworten einfach so, dass keine Fragen auftauchten, sagen kritische Stimmen.

So einfach sei es jedoch nicht, sagt Fliegerarzt Ebert. «Es ist immer die Kombination zwischen dem ausgefüllten Formular und dem sich präsentierenden Piloten.» Auch die Körpersprache spiele dabei eine Rolle.

Christoph Regli ist Leiter des Studiengangs Aviatik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und aktiver Linienpilot. Er muss den Fragebogen regelmässig ausfüllen.

Die Pilotin oder der Pilot muss vor jedem Flug entscheiden, ob man ‹unfit to fly› oder ‹fit to fly› ist.
Autor: Christoph Regli Leiter Studiengang Aviatik (ZHAW) und Linienpilot

Es sei nicht so, dass man bei einem Kreuz am falschen Ort sofort untauglich geschrieben werde, sondern im Gespräch werde auf diese Kreuzchen eingegangen. «Die Pilotin, der Pilot muss vor jedem Flug entscheiden, ob man ‹unfit to fly› oder ‹fit to fly› ist.»

Einer Person wird Lizenz ganz entzogen

Von rund 4500 Berufspilotinnen und -piloten in der Schweiz verlieren pro Jahr wegen psychischer Probleme drei bis vier ihre medizinische Lizenz temporär, höchstens einer Person wird sie ganz entzogen.

Berufspilotinnen und Berufspiloten sind sich bewusst, dass psychische Erkrankungen auftreten können.
Autor: Sebastian Ebert Fliegerarzt

Der mentalen Gesundheit werde in der Luftfahrt heutzutage eine grössere Bedeutung beigemessen, sagen sowohl der Pilot als auch der Fliegerarzt. «Ich selbst habe gemerkt, dass sich die Berufspilotinnen und Berufspiloten bewusst sind, dass psychische Erkrankungen auftreten können.»

Erleichtertes Melderecht in der Schweiz

Hat ein Arzt oder eine Psychologin Zweifel an der Tauglichkeit eines Besatzungsmitglieds, dürfen sie seit 2021 die Luftfahrtbehörden direkt informieren, ohne dass sie sich zuerst von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden lassen müssen.

Dieses erleichterte Melderecht haben Bundesrat und Parlament als Reaktion auf den Germanwings-Absturz eingeführt. Denn keiner der behandelnden Ärzte hatte damals die Behörden informiert. Mutmasslich wegen der ärztlichen Schweigepflicht.

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