Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse und Smartphones an Schulen sind Streitthemen: Sind verpflichtende Sprachtests für alle Kinder, auch außerhalb von Kitas erforderlich, um Defizite frühzeitig zu erkennen? Und sollen Smartphones an Schulen verboten werden?

Auf der Bildungsministerkonferenz war beides Thema, die Ergebnisse stellten Konferenz-Präsidentin Simone Oldenburg (Linke) und ihre Bildungsministerkolleginnen Karin Prien (CDU) und Stefanie Hubig (SPD) am Freitag vor.

Zum Thema Sprachtests präsentierte Oldenburg ein Empfehlungsschreiben des Wissenschaftler-Gremiums der Kultusministerkonferenz. Das kann man als eine Art Vorstufe späterer Empfehlungen an die Konferenz verstehen. Darin heißt es: Die Wissenschaftler rieten dazu, „Verfahren der Diagnostik“ zu etablieren, die „für Entscheidungen über Maßnahmen der sprachlichen Bildung von Kindern und Jugendlichen grundlegend sind“. Dazu gehöre etwa die „verbindliche Durchführung einer Lernausgangslagendiagnostik“ zur Erfassung „bereits vorhandener Deutschkenntnisse“ oder des „Grades der Alphabetisierung im lateinischen oder gegebenenfalls einem anderen Schriftsystem“.

Oldenburg sagte, die Empfehlungen enthielten „wertvolle Vorschläge“. Laut Konferenz fließen sie nun in weitere Beratungen ein. Anfang Juni soll eine Fachtagung die Erkenntnisse so aufbereiten, „dass sie für den Schulalltag einfach und dabei zielgerichtet umsetzbar sind“.

In Bayern trat gerade ein System verpflichtender Sprachtests in Kraft, genannt werden sie „verbindliche Sprachstandserhebungen“. Alle Kinder sollen sie vor dem Grundschulstart durchlaufen, die Tests 30 Minuten dauern. Fällt ein Kind durch, muss es einen Vorkurs an einer staatlich geförderten Kita besuchen. So müssen nicht Lehrer das Problem ausbügeln – und sprachlich besser gebildete Kinder das dadurch verlangsamte Lernklima ausbaden.

Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) sagte WELT: „Es geht hier vor allem darum, Teilhabe zu ermöglichen.“ Karin Prien und Stefanie Hubig verhandeln gerade als Leiterin und stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe 8 in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD über die schwarz-rote Bildungspolitik. In der Öffentlichkeit müssen sie sich deshalb derzeit bedeckt halten mit Äußerungen, die auf diese Verhandlungen zurückwirken könnte.

Der Lehrerverband spricht sich indes für Sprachtests und „eine daraus folgende verbindliche Sprachförderung im Vorschulalter aus, damit alle Kinder ihre Bildungsbiografie erfolgreich starten“, so Präsident Stefan Düll zu WELT. „Laut dem Ländermonitor Frühkindliche Bildung wird bundesweit im Durchschnitt in 14,5 Prozent der Familien von Kita-Kindern zu Hause vorwiegend nicht Deutsch gesprochen“, so Düll weiter. Damit Mehrsprachigkeit für ein Kind zum Vorteil werden könne, müsse auch in der Sprache, die zu Hause nicht gesprochen wird, früh ausreichend gefördert werden.

„Sicher, dass das bald bundesweit angegangen wird“

Im Gegensatz zum Thema Sprachtests war die Befassung mit Smartphones an Schulen nicht Teil der offiziellen Tagesordnung der Konferenz. Um die Frage ging es am Mittwochabend im Rahmen eines inoffiziellen sogenannten Kamingesprächs, zu dem Experten geladen waren.

Klaus Zierer war einer von ihnen. Der Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg gilt als Verfechter einer stärkeren Regulierung der Smartphone-Nutzung im Unterricht. Er hatte in der einstündigen Runde die pädagogische Sicht auf das Thema geliefert. Zierer wertet es als gutes Zeichen, dass es Konsens gewesen sei, „dass eine Regulierung stattfinden muss“. „Es ist verstanden worden, dass es ein Thema ist, dass wir angehen müssen.“

Unter dem Druck der Wissenschaft werde sich die Runde der Bildungsminister bundesweiten Regelungen nicht länger entziehen können, so Zierer. „Ich bin mir sicher, dass das Thema bald bundesweit angegangen wird“, sagte er. Aber: Besonders bei der Frage, für welche Altersstufen eine Regulierung oder gar ein Verbot greifen soll, sind sich die Länder bisher nicht einig.

Die inoffizielle Behandlung kann eine Vorstufe sein, das Thema in kommenden Konferenzen offiziell auf die Tagesordnung zu setzen. Zierer hält es für realistisch, sich am Ende zumindest auf ein jahrgangsübergreifendes Verbot von Smartphones im Unterricht und auf feste Zeiträume für die private Handynutzung in der Schule zu einigen.

Viele Unions-Minister würden gemeinsame Handlungsempfehlungen für die Schulen begrüßen, sagte Karin Prien am Freitag. Die Themen Social Media, Kinder, Gesundheitsschutz und Jugendmedienschutz ließen sich aber nicht auf den schulischen Bereich reduzieren. Nur durch ein Handynutzungsverbot werde man der Probleme nicht Herr werden. Auch Stefanie Hubig von der SPD-Seite sagte: Es sei sicherlich gut, bei Empfehlungen gemeinsam zu überlegen, ob man bundesweit in eine ähnliche Richtung gehe.

Auch bei Smartphones könnte Bayern als Vorbild dienen. Kultusministerin Stolz sagte WELT, sie wolle, „dass Kinder und Jugendliche auf dem Pausenhof miteinander reden, sich austauschen, sich in die Augen schauen“. Deshalb gebe es in Bayern grundsätzlich ein Verbot von privater Handynutzung an Schulen. Grundlage dafür ist Artikel 56 des bayerischen Erziehungsgesetzes. An Grund- und Förderschulen ist die Handynutzung – außer unter Erlaubnis und Aufsicht durch einen Lehrer – grundsätzlich ausgeschlossen.

„Lediglich an weiterführenden Schulen und beruflichen Schulen können die Schulen in Eigenverantwortung darüber hinaus noch eigene Regelungen für den privaten Gebrauch treffen – übrigens als Ergebnis eines umfassenden und erfolgreichen Schulversuchs“, so Stolz. „Das, was in anderen Ländern also aktuell als Meilenstein oder als bundesweiter Maßstab überlegt wird, gibt es bei uns also bereits. Wir reden nicht, wir haben bereits gehandelt.“

Stefan Düll sagte, der Lehrerverband erwarte „aufgrund des Bildungsföderalismus keine einheitlichen verbindlichen bundesweiten Regelungen zu diesem Thema“. Teilweise gebe es schon Vorgaben von den jeweiligen Bildungs- und Kultusministerien, wonach Schulen aufgefordert seien, sich in der Schulgemeinschaft mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich Regeln zu geben. „Das haben viele Schulen aller Schularten auch schon gemacht.“

Düll ist auch Rektor eines Gymnasiums im bayerischen Neusäß bei Augsburg. Dort gelte ein Smartphone-Nutzungsverbot ab Betreten des Schulgeländes bis zur Mittagspause und dann wieder am Nachmittag, zusätzlich gebe es vor dem Sekretariat eine Handy-Zone für dringende Kommunikation mit Eltern oder Ärzten.

„Die Lernenden der Oberstufe dürfen das Handy durchgängig in der Bibliothek nutzen“, so Düll. Er glaubt: „Ein komplettes Smartphone-Verbot an Schulen nützt nicht viel, wenn der Rest der Gesellschaft“ – er meine etwa „Erwachsene auf der Straße oder im Bus, Eltern am Spielplatz oder am Essenstisch“ – „ständig am Smartphone hängen“. Kinder und Jugendliche bräuchten gute Vorbilder für einen Umgang mit digitalen Endgeräten – es stünden „nicht nur die Schulen in der Verantwortung“.

Viel wichtiger als Diskussionen über Smartphone-Verbote aber, so Düll, sei eine über die Umsetzung des sogenannten Digitalpaktes 2.0 für Schulen. Eckpunkte, die Bundesbildungsminister Cem Özdemir (Grüne) und die Bildungsministerkonferenz im Dezember vereinbart haben, müssten „im Koalitionsvertrag und nach der Regierungsbildung schnell und zügig umgesetzt werden, ohne dass es erneut zu langwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern kommt“. Der Lehrerverband fordert eine Verdoppelung der Mittel von fünf auf zehn Milliarden Euro bis 2030, jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern getragen.

Politikredakteur Jan Alexander Casper berichtet für Politico Deutschland und WELT über Innenpolitik.

Jasper Bennink ist Volontär bei Politico Deutschland.

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