Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, hält eine grundlegende Neuordnung des europäischen Asylrechts für nötig. Demnach solle künftig das individuelle Recht auf Asyl zugunsten eines Kontingent-Konzepts weichen. Das regte Sommer - inmitten der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD - bei einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung am Montagabend an.

Die Europäische Union solle demnach einen drastischen Schritt gehen. „Jeglicher Anspruch auf Asyl und auf sonstige Schutzrechte entfällt. Das klingt zunächst einmal schockierend“, sagte der Bamf-Präsident, der betonte, seine Vorschläge als Privatperson zu formulieren. Die EU solle die bestehende Asylgesetzgebung entsprechend aufheben. „Die meisten Asylrechtsakte der Europäischen Union könnten ersatzlos aufgehoben werden. Ein gewaltiger Beitrag zur Entbürokratisierung und zur Entlastung der Gerichte“, sagte Sommer. „Ganz abgesehen davon, dass Kosten in Milliardenhöhe eingespart werden können.“

Stattdessen sollten künftig humanitäre Kontingente geschaffen und darin schätzungsweise rund 150.000 Schutzsuchende im Jahr aufgenommen werden. Die EU-Mitgliedsstaaten könnten demnach über jene Gruppen, Herkunftsort, Quoten und konkrete Aufnahmezahlen gemeinsam verhandeln und entscheiden. Es müsse „eine durchaus beachtliche Höhe“ aufgenommen werden, betonte Sommer. Hierbei stehe die humanitäre Hilfe im Zentrum, jedoch auch Erwägungen wie die Integrationsfähigkeit der aufzunehmenden Personen in den Arbeitsmarkt. Ein Vorbild könne Kanada sein. Wer unerlaubt nach Deutschland käme, hätte keine Aussicht auf ein Bleiberecht.

Sommer will seinen Vorschlag explizit als Verbesserung der Lage der Asylsuchenden selbst verstanden wissen. „Solange wir an unsere europäischen Werte glauben, sind wir in der Verpflichtung, Menschen in Not mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen.“ Er hoffe auf ein praktikableres System, das die derzeitigen Missstände vermeide. „Es soll aber auch einen viel besseren, viel zielgerichteten, viel humaneren Schutz bieten.“ Er wolle vielmehr die „Dysfunktionalitäten des bestehenden Systems“ überwinden und eine Debatte jenseits von „Scheuklappen und Denkverboten“ anregen.

Sommer hält das derzeitige Asylsystem für „verantwortungslos“ gegenüber den Asylsuchenden wie auch den europäischen Gesellschaften. Schon jetzt bestehe Sorge vor Terrorismus und Islamismus in Europa, eine Mehrheit in Deutschland befürworte einen Kurswechsel. „Verantwortliche Politik spürt, wann der Kipppunkt erreicht ist. Er ist erreicht“, sagte Sommer.

Schleppern solle das Geschäftsmodell genommen werden

Das „zynische Asylsystem“ in Deutschland erlaube „keine Begrenzung der Migration“, sagte der Bamf-Chef. „Mehr noch: Es lädt zu Missbrauch geradezu ein und wird deshalb in großer Zahl von Personen ausgenutzt, die gar nicht schutzbedürftig sind.“ Selbst wer keinen Anspruch auf Asyl habe, verlasse das Land derzeit zumeist nicht.

Vom bisherigen System profitierten zumeist junge Männer aus der Mittelschicht, nicht immer jene, die am meisten Anspruch auf Schutz hätten, wie Frauen, Kranke oder Familien. Viele Asylsuchende verschuldeten sich, begeben sich in die Hände von kriminellen Schlepper-Organisationen. „Wir würden das Geschäft der Schlepper weitgehend austrocknen“, so Sommers Hoffnung.

Das Asylsystem gefährde zudem die „äußere Sicherheit“ der EU, „weil es Europa erpressbar und zum Opfer hybrider Kriegsführung durch Belarus und Russland“ mache. Die Finanzierung durch Schlepper werde in Kauf genommen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der EU durch „zynische Deals mit demokratiefeindlichen Regimen“ gefährdet.

Sommer erteilte der Vorschlag, Asylverfahren an Drittstaaten außerhalb der EU zu verlagern, eine Abfuhr. Hierbei würde sich die EU zu sehr in Abhängigkeit von der unsicheren Lage in undemokratischen Staaten abhängig machen. Der Umsetzung der 2024 beschlossenen Reform des Gemeinsame Europäische Asylsystem blicke er mit Blick auf jene EU-Staaten mit EU-Außengrenze ebenfalls skeptisch entgegen.

Vielmehr solle die Genfer Flüchtlingskonvention erweitert werden: Künftig sollten alle Staaten verpflichtet sein, Nachbarstaaten von Krisenregionen mit hohem Flüchtlingsaufkommen zu helfen. Flüchtlinge könnten demnach in den Nachbarstaaten ihrer Herkunftsländer bleiben. Dort solle ihnen mit Nahrungsmitteln, Unterkünften und medizinischer Unterstützung durch internationale Zusammenarbeit geholfen werden. „Damit hätten Flüchtlingen einen Anreiz in der Region zu bleiben und nicht weiterzureisen, was auch dabei helfen könnte, kulturelle Entwurzelung zu vermeiden.“

Sommer befürchte, dass die Demokratie und der Rechtsstaat leide, wenn die aktuellen Probleme nicht gelöst werden. Dies würde auch zu einem weiteren Erstarken der in Teilen rechtsextremen AfD führen. Dies wolle er verhindern, sagte der Bamf-Chef. „Derzeit sind populistische und extremistische Parteien, deren Erfolg maßgeblich auf dem Thema Migration beruht, bereits imstande, demokratische Regierungsbildung zu blockieren“, so Sommer.

In den derzeitigen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD herrscht dem Vernehmen nach noch Uneinigkeit im künftigen Kurs der Migrations- und Asylpolitik. Die CDU regte in ihrem Bundestagswahlprogramm bereits Kontingentlösungen an. Die Sozialdemokraten wiederum bekräftigte im Wahlprogramm das individuelle Recht auf Asyl.

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