Für ein „Schwachkopf“-Meme mit Bezug auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird sich der fränkische Rentner Stefan Niehoff strafrechtlich nicht verantworten müssen – wohl aber für andere Veröffentlichungen in sozialen Medien. Das teilten die Staatsanwaltschaft Bamberg und das Amtsgericht Haßfurt am Mittwoch mit.
Das Gericht habe einen Strafbefehl gegen Niehoff und eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen erlassen, sagte ein Gerichtssprecher auf WELT-Anfrage. Die Vorwürfe lauten auf das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ sowie auf Volksverhetzung. Niehoff kündigte gegenüber WELT ebenso wie sein Verteidiger Marcus Pretzell an, Einspruch einzulegen. Damit wird der Fall dann in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung ausgetragen werden.
Die Staatsanwaltschaft wirft Niehoff jetzt vor, in fünf Fällen per Retweet Beiträge anderer Nutzer auf Twitter (heute X) geteilt zu haben. Damit soll er „Kennzeichen von ehemaligen nationalsozialistischen Organisationen“ verbreitet haben. In einem Fall habe er „eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung“ verharmlost, und zwar „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Über die Details der Postings machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben.
Anwalt Pretzell sagte, sein Mandant habe den Nationalsozialismus keinesfalls verharmlost. Eines seiner Postings zeige katholische Geistliche beim Hitlergruß. Sein Mandant habe das gepostet, als die katholische Kirche dazu aufrief, die AfD nicht zu wählen. Ein anderes Motiv zeige Adolf Hitler beim Handschlag mit Geistlichen.
Die Ermittler wollten Niehoff zudem für ein verballhorntes Titelbild des „Spiegel“ bestrafen, auf dem die Vorsitzende der bayerischen Grünen, Katharina Schulze, die Hand zum Hitlergruß hochhalte, so Pretzell. Ein weiteres Bild zeige einen Schriftzug, auf dem die nationalsozialistische SA mit der Antifa verglichen werde.
Zuletzt greife ein Tweet einen Satz der TV-Moderatorin Sarah Bosetti auf, die weitläufig Kritiker der Corona-Maßnahmen mit einem Blinddarm verglich, der „im strengeren Sinn“ nicht „essentiell für das Überleben des Gesamtkomplexes sei“.
Das Posting, das Niehoff demnach weiterverteilte, ziehe eine Parallele zwischen Bosetti und dem KZ-Arzt Fritz Klein. Den hatte eine in Auschwitz inhaftierte Ärztin mit der Aussage zitiert, „die Juden seien wie ein entzündeter Blinddarm, der aus dem Volkskörper entfernt“ werden müsse.
Der Rentner Niehoff war aufgrund einer morgendlichen Durchsuchung seines Wohnhauses bundesweit bekannt geworden. Polizisten waren am 12. November 2024 mit einem Durchsuchungsbeschluss erschienen, und zwar wegen des „Schwachkopf“-Memes, das durch die Berichterstattung über die Polizeiaktion überhaupt erst bekannt wurde. Das Meme war auch der Anlass für die Durchsuchung. Vorwürfe zu anderen Posts machte die Justiz erst später nach und nach öffentlich.
Für den Einspruch gegen den Strafbefehl haben Niehoff und Anwalt Pretzell zwei Wochen Zeit. Anschließend legt das Gericht den Termin für die öffentliche Verhandlung fest.
„Besorgnis der Befangenheit“
Zusätzlich brisant ist das Verfahren gegen Niehoff auch wegen einer Personalie des zuständigen Amtsgerichts Haßfurt. Dessen Direktorin, Ursula Redler, bekleidet ihren Posten seit dem 1. Februar und war davor Oberstaatsanwältin in Bamberg. Damit war sie Vorgesetzte der Staatsanwälte, die gegen Niehoff ermitteln. Das bestätigte das Gericht auf WELT-Anfrage. Sie habe den Fall aus Ermittler-Sicht gekannt, aber nicht persönlich daran gearbeitet.
Gleichwohl bestehe für sie im Fall Niehoff „die Besorgnis der Befangenheit“. Redler habe dazu eine dienstliche Stellungnahme verfasst. Die „Besorgnis der Befangenheit“ bestehe immer, wenn ein Staatsanwalt in ein Richteramt wechsle und es Berührungspunkte in einem Fall gebe. Anders als in anderen Bundesländern gilt in Bayern das sogenannte Rotationsprinzip: Richter und Staatsanwälte wechseln bei Beförderungen regelmäßig die Seiten. Kritiker sehen darin eine zu große Nähe zwischen Anklagebehörden und Gerichten.
Redler ist außerdem stellvertretende Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bamberger Stadtrat. Einen Interessenkonflikt mit ihrer beruflichen Tätigkeit wies der Gerichtssprecher zurück. Ihr politisches Amt und ihre Richtertätigkeit seien strikt voneinander getrennt.
Christoph Lemmer berichtet für WELT als freier Mitarbeiter vor allem über die Politik in Bayern.
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